Vier Wände für ein Halleluja | DiePresse.com

2022-05-21 09:47:14 By : Ms. Sana Wong

Ein Zuhause ist weit mehr als ein Haus oder eine Wohnung. Wohnen ist weit mehr als sesshaft sein. Das Dach über dem Kopf bietet Schutz, Rückzug, Privatsphäre. Nicht umsonst ist Wohnen ein Menschenrecht. Und doch sind es nicht nur wir selbst, die bestimmen, was die eigenen vier Wände sind, sondern auch die persönliche Gesundheit, die Herkunft und sogar der Beziehungsstatus spielen eine Rolle.

Wie aber lässt es sich in und um Wien derzeit überhaupt wohnen? Wer nur begrenzte Wohnfläche zur Verfügung hat, achtet auf jeden Zentimeter Platz. Tiny Houses bieten mittlerweile auch hierzulande die Möglichkeit für gelebten Minimalismus. Andere hingegen wünschen sich ein ausladendes Eigenheim und strömen vom Urbanen in den durchwachsenen Speckgürtel. Die zunehmende Zersiedelung und der Flächenraub zahlen jedoch nicht auf das Nachhaltigkeitskonto ein. Trotzdem bleibt das Haus mit Garten ungeschlagener Wunschtraum der Österreicherinnen und Österreicher, wenn es um die Lebensplanung geht.

Umgekehrt schafft es das Dorfidyll digital in die Stadtwohnung mit dem Wohntrend Cottagecore. Diese Wohnästhetik voller Naturnähe und Nostalgie findet momentan in den sozialen Medien großen Anklang. Allerdings: Marie-Antoinette wurde schon vor über 200 Jahren ganz ohne Internet Pionierin dieses Trends.

Im Hier und Jetzt können sich viele keine Gedanken über Ästhetik machen – ihnen fehlt dazu der entsprechende Wohnraum. Allen voran Menschen, die in Rollstühlen oder mit Blindenstock unterwegs sind, müssen vielfach Kompromisse eingehen. Aber auch frisch zugewanderte Personen sind mit (nicht nur bürokratischen) Hürden konfrontiert, Alleinerziehende mit nahezu unleistbarem Wohnraum.

Und das, obwohl immer mehr Wohnraum geschaffen wird – vor allem Wien gerät in den Fokus von Investoren. Anstatt das Wohnen dadurch leistbar zu halten, wird die Situation jedoch zusehends angespannter, sogar im Altbau. Digitale Nomaden kümmert das alles nicht. Sie wohnen nirgends und überall und tragen dabei den Vorwurf im Gepäck, nur zu urlauben, anstatt zu arbeiten.

Fest steht: Zuhause ist es am schönsten. Wo immer es ist und wie auch immer es aussieht. Wie vielfältig das sein kann, zeigt dieses Dossier.

Das Dossier ist im Rahmen einer Lehrveranstaltung am Institut für Journalismus und Medienmanagement der FH Wien der WKW (Träger: Wirtschaftskammer Wien und der Fonds der Wiener Kaufmannschaft) entstanden. Dabei haben folgende Studierende mitgearbeitet: Naila Lina Baldwin, Anna Clara Brandstätter, Sandra Grossmann, Hermann Benedikt Hackl, Markus Hagspiel, Christof Kopf, Lea Moser, Magdalena Eva Mösenlechner und Danny Stornig.

Das Einfamilienhaus ist ein Meilenstein in vielen österreichischen Biografien. Mit dem Richtfest wird der Eintritt ins Erwachsenenalter gefeiert. Zahlreiche Fernsehwerbungen verstärken dieses Bild. Über einem gigantischen Zweistockhaus geht die Spätsommersonne unter, ein glücklicher Vater steht am Grill, das Wasser im Pool glitzert mit den Augen der Kinder um die Wette. Größer, schöner, besser, und dazu der passende Kredit. Wolfgang Amann vom Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen findet dazu deutliche Worte: „Diese berühmte Werbung mit dem freistehenden Einfamilienhaus auf 1000 Quadratmetern Grund sollte es genauso wenig geben wie Zigarettenwerbung.“

Denn: Das Eigenheim im Grünen gilt auch als gewaltiger Klimasünder. Im deutschen Bundestag-Wahlkampf 2021 sorgte die Aussage eines grünen Kommunalpolitikers für Aufsehen: Einfamilienhäuser würden viel Fläche und Energie verbrauchen, Zersiedelung und damit Verkehr fördern, sagte Anton Hofreiter damals dem „Spiegel“. Die Folge: eine nationale Verbotsdebatte. „Finger weg vom Traum junger Familien“, twitterte etwa CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. Fest steht: Das Thema Wohnen lässt sich in der Klimadebatte nicht einfach ausblenden. Der Bereich macht im ökologischen Fußabdruck der Österreicher durchschnittlich 14 Prozent des Ressourcenverbrauchs aus. Dazu kommen noch Emissionen, die durch den Straßenverkehr entstehen.

Wer klimafreundlich wohnen möchte, sollte auf Suffizienz achten, sagt Immobilienexperte Amann. Gemeint ist damit, den Ressourcen- und Energieverbrauch möglichst gering zu halten. Das Optimum wäre demnach eine kleine Wohnung, nicht Neubau, nicht mit Gas oder Öl beheizt und in einer Umgebung, in der kein Auto notwendig ist. „Die liebste Wohnform der Österreicher, das riesengroße Einfamilienhaus mit Doppelgarage und zwei SUVs“, sei hingegen mit einem ökologischen Leben nur schwer zu vereinbaren, meint Amann: „Das sind sozusagen die Bösewichter.“

Konkret: In der Vorstadt seien die Emissionen doppelt bis dreifach so hoch wie im urbanen oder ländlichen Raum, rechnet Klimaökonom Gernot Wagner vor. Er kritisiert in seinem 2021 im Brandstätter-Verlag erschienenen Buch „Stadt Land Klima“ vor allem den Speckgürtel. Suburbia stehe für das kompromisslose Leben zwischen viel Platz und der guten Lage in der Nähe zur Stadt. Doch „der Kompromiss ist das Klima, die Umwelt“, fügt Wagner hinzu. Entscheidend seien die Faktoren Dichte und Reichtum, schreibt er in seinem Buch: „Das Land ist relativ arm und dünn besiedelt. Städte sind relativ reich und dicht besiedelt. Suburbs liegen genau dazwischen: Sie haben zwar relativen Reichtum, aber kaum Dichte. Das bedeutet: größere Häuser, mehr Autos, mehr materieller Konsum – und daher auch deutlich mehr CO2-Emissionen.“

Zersiedelung und Straßenbau haben drastische Auswirkungen: „Mit jedem verbauten Quadratmeter verlieren wir auch ein weiteres Stück der für uns Menschen überlebenswichtigen Bodenfunktionen“, sagt WWF-Bodenschutzexpertin Maria Schachinger. Dazu gehören die Versorgung mit Lebensmitteln, Trinkwasser und sauberer Luft und der Schutz vor Hochwasser. Grünräume seien wichtige Kohlenstoffspeicher und Gratis-Klimaanlagen. „Eine intakte Natur ist unsere beste Versicherung gegen die Klimakrise und das Artensterben“, sagt Schachinger. Sie sieht aber das Problem nicht im Einfamilienhaus an sich, sondern darin, dass ein „Gebäude, das fernab von Ortszentren mitten auf der grünen Wiese gebaut wird, eine Reihe weiterer Verbauung nach sich zieht – also weitere Straßen, Supermärkte, Gewerbeparks oder Parkplätze.“ Man solle daher Maßnahmen setzen, um die Ortskerne zu beleben und leer stehende Häuser weiterzuverwenden.

In Österreich sinkt der jährliche Zuwachs des Flächenverbrauchs zwar seit 2010, von der Einhaltung des Nachhaltigkeitsziels des Bundes bis 2030 ist man aber weit entfernt. Aktuell wird um das Vierfache über das Ziel hinausgebaut. Schachinger fordert daher Reformen bei der Kommunalsteuer: Diese bringe die Gemeinden derzeit „in einen unregulierten Wettkampf um Betriebsansiedelungen“.

Ähnlich Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger: Sie schlug im ORF-„Sommergespräch“ 2021 vor, die Umwidmungskompetenzen dem Bund zu überlassen. Wagner und Amann orten in dem Vorstoß Potenzial: Der Bürgermeister einer kleinen Gemeinde gerate ziemlich unter Druck, wenn er einem Bewohner die Umwidmung verweigere und die Kinder dort kein Haus bauen dürfen. Läge die Entscheidung bei der Bezirksbehörde, wäre die Distanz zum Liegenschaftseigentümer größer, meint Amann. Er sieht Bayern, wo diese Kompetenzen auf Kreisebene liegen, als positives Beispiel: „Das Thema der Zersiedelung ist sehr viel geringer als bei uns.“

In einer Stadt wie Wien lassen sich die meisten Wege problemlos mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen. Im suburbanen Raum ist das schwieriger, ein eigenes Auto zu haben oft unverzichtbar. Wagner kritisiert, dass die externen negativen Kosten nicht beziffert seien. Der Individualverkehr sei immer noch die am stärksten subventionierte Form des Transports, durch Straßenbau oder Billigstparkplätze in der Stadt. Ab Juli 2022 wird CO2 besteuert. Der Startpreis liegt bei 30 Euro pro Tonne und soll bis 2025 auf 55 Euro erhöht werden. Ein regional gestaffelter Klimabonus soll Mehrbelastungen ausgleichen. Wer gut auf das Auto verzichten kann, etwa in Wien, bekommt künftig 100 Euro, im ländlichen Raum können es bis zu 200 Euro sein. Die CO2-Bepreisung setze richtige Anreize, ist Wagner zuversichtlich, es gäbe aber noch viel größere Hebel, bei denen man ansetzen müsste, etwa das Pendlerpauschale.

Amann verweist dennoch auf den hohen kulturellen und politischen Stellenwert des ländlichen Raumes, der auch wirtschaftlich außergewöhnlich potent sei: „Wir haben in Österreich eine Siedlungs- und Wirtschaftsstruktur, die sehr leistungsfähige Industrien im ländlichen und semiurbanen Raum entwickelt hat.“ Das könne man nicht pauschal verurteilen. Trotzdem müsse man dafür sorgen, dass die Ortschaften nicht weiter ausrinnen. Wagner ist in seiner Wortwahl deutlicher: „Bedarf es einer solchen Debatte (wie in Deutschland, Anm.) auch in Österreich? Ja! Überspitzt gesagt: Es geht um Verbote.“ Je nach lokalen Gegebenheiten sollte darüber nachgedacht werden, die Zersiedelung einzuschränken, betont er.

Möglichst viele Häuser zu sanieren ist für Amann nicht der Ausweg. Indem man die Grundsubstanz von Häusern erhalte, deren Grundrisse, Materialien, Heizsystem und Isolierung nicht mehr passen würden, spare man nur wenig. „Ich bin heute der Ansicht, dass es viele Fälle gibt, in denen es aus ökologischer Sicht vertretbarer ist, dass man abreißt. Am liebsten dort, wo das Haus ohnehin am falschen Ort steht, und zurückwidmen in Grünland“, sagt er.

Nicht nur die Siedlungen wachsen, auch die Häuser werden immer größer. Bei Hauseigentum umfasst die durchschnittliche Wohnfläche in Österreich 141,6 Quadratmeter. Kleinere Häuser sind besser für die Umwelt, beim Bau und Energiebedarf. Trotzdem sind sich Amann und Wagner darin einig, dass insgesamt weniger gebaut werden sollte. Die Zersiedelung würde durch kleinere Häuser ja nicht gestoppt werden, erklärt Wagner: „Das heißt, wenn jetzt jeder Österreicher in ein Tiny House zieht, müssen die ja auch erst einmal irgendwo gebaut werden.“ Solche „Techno Fixes“, wie Wagner sie nennt, hätten starke Rebound-Effekte.

Rebound-Effekte Der Rebound-Effekt („Abpralleffekt“) beschreibt das Phänomen, dass Energieeinsparungen durch Effizienzsteigerungen nicht oder kaum eintreten. Fährt man ein energieeffizienteres Auto, spart man dadurch auch Treibstoff. Nutzt man dann aber, im Wissen um die Ersparnis, das Auto öfter, verschwindet die anfängliche Ersparnis wieder. Die Nachfrage erhöht sich, weil die Energiedienstleistung günstiger wird. Das ist der direkte Rebound-Effekt. Ein indirekter Rebound tritt dann ein, wenn der Autofahrer das eingesparte Geld für etwas anderes ausgibt, das auch viel Energie verbraucht, zum Beispiel eine längere Flugreise.

Der Rebound-Effekt („Abpralleffekt“) beschreibt das Phänomen, dass Energieeinsparungen durch Effizienzsteigerungen nicht oder kaum eintreten. Fährt man ein energieeffizienteres Auto, spart man dadurch auch Treibstoff. Nutzt man dann aber, im Wissen um die Ersparnis, das Auto öfter, verschwindet die anfängliche Ersparnis wieder. Die Nachfrage erhöht sich, weil die Energiedienstleistung günstiger wird. Das ist der direkte Rebound-Effekt. Ein indirekter Rebound tritt dann ein, wenn der Autofahrer das eingesparte Geld für etwas anderes ausgibt, das auch viel Energie verbraucht, zum Beispiel eine längere Flugreise.

Wird trotzdem neu gebaut, spielt Technologie eine wichtige Rolle. In der Haustechnik, beispielsweise bei Wärmepumpen oder dichten Gebäudehüllen, sieht Amann wichtige Entwicklungen. Im Gegensatz zu fossilen Heizsystemen, die Gas oder Öl verbrennen, nutzen Wärmepumpen Energie, die in der Umgebung gespeichert ist, das heißt im Erdreich, in der Luft, im Wasser oder in der Sonne. Dadurch, dass bei diesem Prozess geringere Temperaturen als in Heizkesseln entstehen, werden Energieverluste minimiert. Am besten funktionieren Wärmepumpen mit Fußboden- oder Wandheizungen, die große Flächen nutzen. Je besser die Gebäudehüllen dämmen, desto weniger Energie braucht man, um zu heizen.

Nicht das Wirtschaftswachstum an sich, sondern Ressourcenverbrauch sei schlecht, betont Wagner. Man müsste Mehrkosten und Extrainvestitionen motivieren, um klimaneutral zu wirtschaften und zu wohnen. „Wir müssen nicht alles abbrennen und von Neuem beginnen“, ist er überzeugt. Denn ein energieeffizientes und klimaneutrales Leben funktioniere mit modernster Technologie und enormen Investitionen, konkretisiert Wagner. „Und die sind nur möglich, weil wir in die Zukunft investieren.“

Perfekte Fassaden, gepflegte Vorgärten, SUVs in der Garage – den Traum vom Leben in Suburbia gibt es nicht erst seit der Vorstadt-Dramaserie „Desperate Housewives“. Wagner ist davon überzeugt, dass die individuellen Konsumwünsche nicht abgedreht, sondern in die richtige Richtung gelenkt werden sollten. Das Bedürfnis zu besitzen sitze tief, glaubt Amann. Zugleich müssten klimafreundliche Alternativen sichtbar gemacht werden: schicke Stadtwohnungen oder kleine Passivhäuser. Soll heißen: „Es sind viele Dinge möglich, ohne dass man den Menschen diesen Traum wegnimmt.“

Die Österreicher haben mehr Platz in ihren eigenen vier Wänden als früher. Knapp 100 Quadratmeter groß war der Statistik Austria zufolge eine durchschnittliche Wohnung im Jahr 2020. Das ergibt pro Person durchschnittliche 45,5 Quadratmeter Wohnfläche – ein Plus von knapp zwei Quadratmetern im Vergleich zu 2010 oder fast fünf Quadratmetern verglichen mit 2004.

Und das ist nicht das Einzige, was gewachsen ist: Es leben auch immer mehr Personen allein in einer Wohnung. So stieg die Zahl derer, die in einem Einpersonenhaushalt leben, von 768.000 im Jahr 1985 auf 1,5 Millionen im Jahr 2020. Das bedeutet, dass aktuell jeder dritte Österreicher allein in einem Haushalt lebt. Anders ausgedrückt: Die Haushaltsgrößen schrumpfen, die Wohnungsgrößen steigen.

Hinzu kommt ein drittes Wachstum: jenes nach Bedarf an Wohnraum. In den vergangenen 20 Jahren stieg die Bevölkerungsanzahl in Österreich kontinuierlich von 8,03 Millionen im Jahr 2001 auf 8,37 Millionen im Jahr 2011 und auf 8,93 Millionen im Jahr 2021. Bis 2025 soll laut Prognose der Statistik Austria die Neun-Millionen-Marke durchbrochen werden. Eine Entwicklung, die höhere Mieten mit sich bringt: So kletterte der Quadratmeterpreis in den vergangenen 15 Jahren von 3,8 Euro im Jahr 2005 auf 6,2 Euro pro Quadratmeter im Jahr 2020.

Die Folge: Immer mehr Menschen suchen nach alternativen und leistbareren Wohnlösungen. Ein Weg, den im vergangenen Jahrzehnt viele dabei eingeschlagen haben, führt zum sogenannten Tiny House. Der Trend hat seinen Ursprung in den USA der 1970er-Jahre, als Architekten begannen, sich mit dem Leben in kompakten Wohnräumen zu beschäftigen. Frühe Pioniere waren Lloyd Kahn, Autor des Buchs „Shelter“, und Lester Walker mit seinem Buch „Tiny Houses“. 1997 veröffentlichte Sarah Susanka ihr Buch „The Not So Big House“ und startete damit eine Gegenbewegung gegen den herkömmlichen Wohnbau – für bessere und nicht größere Wohnarchitektur.

Zunächst sollten Tiny Houses eine mobile und günstige Wohnmöglichkeit auf mindestens vier Rädern sein, welche es den Bewohnern ermöglicht, ihren Standort nach Belieben zu wechseln. Mit der Zeit entwickelte sich das Konzept jedoch zu einer stationären Wohneinheit mit sehr kleiner Grundfläche.

Ab der Finanzkrise 2007 kam es in den USA mit dem Platzen der Immobilienblase zu einem wahren Tiny-House-Boom – der bis heute anhält. Mittlerweile gibt es Tiny-House-Blogs, -Fernsehshows und -Bücher. Die Größe eines Tiny House schwankt zwischen 15 und 45 Quadratmetern.

Der Trend hin zum Tiny House ist aus einer Not heraus geboren worden, um die generellen Kosten für Wohnen zu reduzieren. Kaum verwunderlich also, dass er auch in Österreich Fahrt aufnimmt. Immerhin: Das Konzept lässt Menschen mit geringerem Einkommen den Traum eines Eigenheimes leben. Dafür wird auch in Kauf genommen, dass der Wohnraum sehr viel strukturierter geplant werden muss, um die gleiche Qualität wie bei einer geräumigen Wohnung oder einem geräumigen Haus zu bieten.

Doch sind die kleinen Häuser tatsächlich mit geringeren Kosten verbunden? Auf der Website stadt-wien.at wird der Preis eines Tiny Houses je nach Art, Größe und Ausstattung mit 45.000 Euro bis 140.000 Euro angegeben. Er setzt sich demnach aus Grundstücks- bzw. Baugrundkosten, Grundstückerschließung, Gebäudeplanung, Baukonstruktion, Versorgungstechnik, Außenanlagen, Innenausstattung und Baunebenkosten zusammen. Ein Blick auf die Grundstückpreise in Österreich zeigt aber deutlich auf, dass diese Rechnung nur selten aufgeht. Weiters macht es einen erheblichen Unterschied, ob ein Tiny House schlüsselfertig von einem Unternehmen verwirklicht wird oder dieses in Häuslbauer-Manier selbstständig errichtet wird.

Mit den Jahren hat auch die Zahl der Anbieter von Tiny Houses und Häusern mit geringer Wohnfläche auf kleinen Grundstücken zugenommen. Einer von ihnen ist die Riwo Immobilien GmbH mit ihrer Seite tinyhaus.co.at. Die Firma mit Sitz in Kärnten bietet unterschiedliche Modelle von Tiny Houses an, die beliebig erweitert werden können. Durch die modulare Bauweise aus alten Schiffscontainern sollen diese besonders nachhaltig sein. Die Preise beginnen bei 40.000 Euro. Allerdings: Der Preis des Grundstücks, auf dem das Tiny House stehen soll, ist darin nicht inkludiert. Um dieses muss sich der Käufer bei der Anschaffung selbst kümmern.

Ein weiterer Anbieter auf dem Tiny-House-Sektor ist Theresa Mai mit ihrer Firma Wohnwagon. Sie verspricht auf ihrer Website „individuelle Lösungen für natürliches Wohnen“, und das regional produziert – mit ökologischen Baustoffen. Eine Ankündigung, die sich auch monetär ausdrückt: Die verschiedenen Modelle bewegen sich zwischen 50.000 und 180.000 Euro. Ein entscheidender Faktor ist dabei, wie viel beim Aufbau und der Gestaltung des Wohnwagons selbstständig übernommen wird, aber auch der Autarkiegrad, der vom Käufer angestrebt wird, da zusätzliche Anlagen wie beispielsweise für Fotovoltaik zu höheren Anschaffungskosten führen.

Neben den offiziellen Anbietern gibt es eine Reihe von Do-it-yourself-Projekten. Eines von ihnen hat die Villacher Studentin Maria Kravanja verwirklicht, die sich aus einem Wohnwagenanhänger vom Schrottplatz ein Tiny House gezimmert hat – ohne handwerkliche Vorkenntnisse. Der Anlass: ein selbstständiges Leben in einem Minihaus bei möglichst geringem finanziellen Aufwand. Im Gespräch mit wohnglück.de meinte die Studentin 2020: „Mein eigenes mobiles Haus zu haben, es selbst aus vor allem recycelten Materialien und ohne Bodenversiegelung zu bauen, dann nicht viel Zeug haben zu können (was ja auch meist irgendwo mit dem Aufwand von Ressourcen nicht besonders umweltfreundlich produziert wird), da der Platz in meinem Haus begrenzt ist, mich damit auf das Wesentliche im Leben zu fokussieren – das ergab für mich Sinn!“

Die Kosten für den Bau ihres Tiny Houses beziffert die Studentin mit 3500 Euro bei einer Wohnfläche von 10,5 Quadratmetern. Doch mit dem Bau ist das Thema nicht abgeschlossen: Nach wie vor beschäftigt Kravanja die Suche nach geeigneten Abstellplätzen. Denn: Das Grundstück, auf dem das Tiny House abgestellt wird, muss über eine entsprechende Widmung verfügen. Konkret: Die Minihäuser unterliegen in Österreich dem Baurecht, weshalb eine Bewilligung von der betreffenden Gemeinde eingeholt werden muss – gewährt wird diese jedoch nur selten. Kravanja durfte ihre Behausung bei einer Verwandten aufstellen. Will sie damit umherreisen, bleiben ihr derzeit als einzige Alternative Campingplätze.

Damit aber nicht genug der Bürokratie: Zu den baurechtlichen Vorgaben, die ein Tiny House zu erfüllen hat, zählt auch, dass bei der Gemeinde (wie bei einem normalen Hausbau) Skizzen und Pläne zur Überprüfung einzureichen sind. Ängstigen sollten sich Mini-Hausbauer davor nicht, meint Theresa Mai von Wohnwagon im Gespräch mit der „Presse“: „Wenn man sich an das Gesetz hält, ist es flexibel genug.“

Für einige Anhänger der Bewegung ist die Reduktion des eigenen Wohnraums nicht nur eine Antwort auf den Wohnraummangel. Eigentümer entscheiden sich längst nicht mehr nur aus finanziellen Gründen für das Downsizing der eigenen vier Wände. Laut Klimaschutzbericht wies der Sektor Gebäude im Jahr 2019 Treibhausgas-Emissionen in der Höhe von 8,1 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent auf. Damit ist er für rund 10,2 Prozent der Treibhausgasemissionen in Österreich verantwortlich. Der ökologische Aspekt beim kleinen Wohnen rückt immer mehr in den Vordergrund. Die Rechnung scheint einfach: Durch eine nachhaltige Ausstattung wie Solaranlage, Bio-Toilette und Verwendung von bestimmten Pflanzen gelingt es mit einem Tiny House, einen natürlichen Kreislauf zu schaffen. Auch das Weniger an Haus bedeutet weniger CO2-Emissionen. Zunächst einmal betrifft dies den Ressourcenbedarf für den Bau des Hauses selbst. Zum anderen betrifft es den laufenden Betrieb wie den Bedarf an Strom und Heizenergie. Der Heizenergiebedarf hängt direkt von der Größe der zu beheizenden Wohnfläche ab. Mit einer Verkleinerung des Wohnraums lässt sich der ökologische Fußabdruck somit deutlich reduzieren.

Zu diesem Schluss kommt auch die amerikanischen Colby-Universität im Jahr 2015: Mit einem Umzug von einem Haus mit einer amerikanischen Durchschnittsfläche von 241 Quadratmetern in ein baugleiches Haus mit 17 Quadratmetern Wohnfläche würden sich rund 11,8 Tonnen CO2 jährlich einsparen lassen.

Für alle, denen das Wagnis, ihr Haus oder ihre Eigentumswohnung gegen ein Minihaus einzutauschen, zu groß ist, gibt es die Möglichkeit, einen Urlaub in einem Tiny House zu buchen, um das Wohnen auf kleinem Raum greifbar und spürbar zu machen. Möglich ist dies bei mehreren Anbietern in Österreich, unter anderem über die Website von Wohnwagon. Dabei wird versucht, in einem autarken Wohnwagon mit Bio-Toilette, PV-Inselanlage, Grünkläranlage, stromloser Espresso-Maschine etc. das Zukunftskonzept des Tiny House für jeden näherzubringen.

Auf einer Waldlichtung fallen Sonnenstrahlen durch die Blätter, Rehkitze dösen vor sich hin, Waldpilze sprießen aus dem Boden und in der Ferne plätschert leise ein Bach. In einem mit Reetdach gedeckten Landhaus am Waldrand wird gerade ein frisch gebackenes Sauerteigbrot aus dem Ofen geholt, während helle Leinenkleider auf der Wäscheleine im Hof trocknen.

Das könnte der Anfang einer Erzählung der Gebrüder Grimm sein, bevor die unvermeidliche Dunkelheit über die Märchenwelt hereinbricht. Tatsächlich ist es die Idealvorstellung einer ästhetischen Bewegung namens Cottagecore, in der die Romantisierung ländlicher Selbstversorgung mit einer Menge an Dekor zusammenkommt, um eine außerordentlich niedliche Destillation des ruralen Daseins zu schaffen. Blümchentapeten an den Wänden, ein Bottich selbst gemachter Ribiselmarmelade auf dem Herd, gehäkelte Decken für ein Picknick im Grünen: Was Uneingeweihte als nostalgischen Landhauskitsch abtun könnten, ist für die Cottagecore-Gemeinschaft umso erstrebenswerter.

Nach fast einem Jahrzehnt, in dem die Inneneinrichtung von weiß getünchten Wänden, Monstera-Pflanzen und massengefertigten Möbelstücken aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts bestimmt wurde – einer sterilen Ästhetik, die der US-amerikanische Kulturkritiker Kyle Chayka mit dem Begriff AirSpace beschreibt – setzt sich hierzulande zunehmend der Wunsch nach Individualität und einer persönlichen Note in der Einrichtung durch. „Die Menschen wollen mit ihrer Wohnung, ihrem Haus ihre eigene Geschichte erzählen“, erklärte die Interieurdesignerin Elke Altenberger der „Presse“ schon im Jänner des Vorjahres. Zu modernem Design gesellen sich immer öfter alte Erbstücke oder Gegenstände aus Vintage- oder Antiquitätenladen.

Seit Beginn der Pandemie im März 2020 überwiegen in Einrichtung und Mobiliar natürliche Stoffe wie Holz oder Jute, nostalgische Ästhetik lebt mit Vintage-Möbeln wieder auf, erdige Nuancen und Pastelltöne zieren die Wände, Erinnerungsstücke an die Großmutter, wie das verschnörkelte Porzellan mit Blumenmuster, finden ihren Platz in der Stadtwohnung. „Altmodisches scheint Sicherheit zu geben. Das war bereits nach der Wirtschaftskrise 2008 zu beobachten und jetzt wieder – und zwar auch bei jungen Menschen“, sagt Altenberger. Für die architekturpsychologische Expertin Anja Aichinger von Anais Architektur spiegeln die aktuellen Wohntrends unsere Umwelt wider: „Die Coronapandemie und andere Krisensituationen forcieren die Rückkehr zur Natürlichkeit. Wenn in der Außenwelt Unsicherheit herrscht, wird in den eigenen vier Wänden nach Geborgenheit gesucht.“ Stile wie das naturbetonende Cottagecore seien daher gerade gefragt.

Cottagecore ist eine Fortsetzung von Stilen, die es bereits seit vielen Jahrhunderten gibt. Zu seinen Vorläufern gehören die Romantik, die Arts-and-Crafts-Bewegung und der Shabby Chic. Die künstlerische Bewegung der Romantik, die eine Verbindung zur Natur, zur Vergangenheit und zu den Sinnen betonte, zählt zu den größten Einflüssen der kontemporären Ästhetik. Joe Vaughan, Social-Media-Beauftragter des Museum of English Rural Life im südenglischen Reading, verfasste im August 2020 einen viel zitierten Tweet, in dem er Maria Antonia von Österreich – besser bekannt als Marie-Antoinette – als Ikone des Cottagecores bezeichnete. Im späten 18. Jahrhundert ließ Marie-Antoinette nämlich ein rustikales Dorf, unweit von Schloss Versailles, erbauen.

Inspiriert von den naturalistischen Gemälden ihrer Zeit entstand ein idealisiertes Dörfchen, das unter dem Namen Hameau de la Reine bekannt wurde. Das künstlich angelegte Dorfidyll diente Marie-Antoinette als Rückzugsort von der Strenge und Etikette des Versailler Hoflebens. Vaughan zufolge verkleidete sich die Königin des Öfteren als Hirtin oder als Milchmädchen und spielte zusammen mit ihren Bediensteten im Hameau das bäuerliche Landleben nach. Die Vorstellung, dass Marie-Antoinette sich mit ihrer Dienerschar einem idealisierten ländlichen Leben hingab, soll ihr im Gegensatz zum häufig in den Mund gelegten Kuchensager tatsächlich den Unmut des Volkes zugezogen haben.

Ende des 19. Jahrhunderts begründete der Architekt William Morris nicht nur gemeinsam mit Eleanor Marx die sozialistische Bewegung in Großbritannien, sondern auch die Arts-and-Crafts-Bewegung als Reaktion auf die industrielle Revolution. Dabei ging es um die Verherrlichung der Natur, von individueller Handarbeit und von mittelalterlichen Tugenden rund um die Artuslegende. In dieser ästhetischen Bewegung herrschte die Vorstellung, dass das Leben in der Vergangenheit in vielen Belangen besser gewesen war. Die lokalen Schwerpunkte der Stilrichtung lagen von 1870 bis 1920 in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten.

Jüngere Parallelen zur Cottagecore-Ästhetik gibt es in den 1980er-Jahren, als eine Wohnkultur namens Shabby Chic weltweit an Popularität gewann. Merkmale dieses Stils waren Einrichtungsgegenstände mit Gebrauchsspuren und Patina, eine durch natürliche oder künstliche Alterung entstandene Oberfläche. Der Wohntrend entstand nach den krisengebeutelten 1970er-Jahren. Mit den Krisen jener Zeit – darunter die Ölpreiskrise und die Stagflation in den westlichen Volkswirtschaften – ging auch ein gewisser Rückzug ins Häusliche einher, sagt Aichinger: „In den 80er-Jahren war das als Cocooning bekannt, heute erleben wir das bei Cottagecore wieder.“

Es dauerte bis ins Jahr 2018, als die Bilder mit idyllisch anmutender, ländlicher Szenerie auf der Internetplattform Tumblr endlich mit einem Namen versehen wurden. In jenem Jahr soll der Begriff Cottagecore erstmals zur Beschreibung der ästhetischen Bewegung verwendet worden sein, die moderne Eskapismus-Fantasien wie Tiny Houses, freiwilligen Minimalismus, ländliche Selbstversorgung und Orte ohne Internetzugang verknüpft. „Cottage“ steht dabei für Landhaus und das Suffix „-core“ wird verwendet, um Kategorien voneinander abzugrenzen.

2019 veröffentlichte eine Nutzerin unter dem Pseudonym Sora Blu mehrere Videos auf dem Videoportal TikTok, die Ausschnitte aus ihrem beschaulichen Landleben zeigten, und verhalf Cottagecore damit zu größerer Aufmerksamkeit. Bis zu eine Million Menschen erreichte sie pro Video. Blu lebte damals in den Küstenwäldern des US-Bundesstaates Washington in einem Wohnwagen und verbrachte ihre Zeit mit Pilzepflücken, Gärtnern, Kochen, Kräutersammeln oder einem Waldbad. Die häufigste Frage, die sich in der Kommentarspalte ihrer Videos stellt: „Wie?“ Wie ist so ein Leben inmitten einer idyllischen Naturkulisse möglich?

Als im Frühjahr 2020 die Coronapandemie ausbrach, nahm die ästhetische Bewegung aufgrund der weltweiten Massenquarantänen nochmals an Fahrt auf. Internetplattformen wie Tumblr verzeichneten von März bis Mai 2020 einen Anstieg von 150 Prozent an Beiträgen mit dem Schlagwort Cottagecore, und auf dem Videoportal TikTok verbuchten sie im selben Zeitraum über 252 Millionen Aufrufe. In der beschaulichen Welt von Cottagecore scheint das Coronavirus  weit weg. Vor allem Teenager und junge Erwachsene werden vom Internettrend angesprochen.

Im Juli 2020 veröffentlichte die US-amerikanische Sängerin Taylor Swift ihr achtes Studioalbum namens „Folklore“, das ein großer kommerzieller Erfolg wurde. Die prominente Verwendung von Cottagecore-Motiven in den Bildern und Texten des Albums steigerte nochmals die Popularität dieser Ästhetik: Im Musikvideo zu dem Popsong „Cardigan“ sitzt Swift in einem alten Steinhaus am Klavier, im Hintergrund brennt ein Feuer in einem Kamin. Vergilbte Fotos und naturalistische Ölgemälde hängen an den Wänden. Die Szene wirkt wie aus der Zeit gefallen. Schließlich hebt sie den Klavierdeckel, steigt hindurch und findet sich in einer idyllischen Waldkulisse wieder. Ein mit Moos bewachsenes Klavier, aus dem ein Wasserfall austritt, steht bereit. Im Songtext vergleicht sie eine alte Liebe mit der Geborgenheit einer alten Strickjacke.

Cottagecore ist also nur eine von vielen Stilrichtungen, die in den vergangenen Jahrhunderten das Landleben und die Gemütlichkeit angepriesen haben. Die ästhetische Besinnung auf nostalgische Stilelemente ging dabei stets mit technischen Revolutionen, Krisen und anderen Umwälzungen einher. Die offensichtliche Ironie dahinter: Cottagecore ist die erste Stilform, bei der oft ausschließlich über ein Smartphone aus überfüllten Wohnungen oder Vorstadtzimmern partizipiert wird. Mit dem Internet habe sich auch die Geschwindigkeit von Wohntrends geändert, erklärt Aichinger: „Internetinhalte gehen in Sekundenbruchteilen rund um die Welt. Früher haben sich Baustile durch Baumeister, die quer durch Europa gezogen sind, ausgebreitet. Das konnte schon einmal Jahrzehnte bis Jahrhunderte dauern.“

So zauberhaft Cottagecore im Internet auch aussehen mag, für die meisten bleibt es eine beschauliche Utopie. Die wenigsten können sich den Traum vom rustikalen Landanwesen erfüllen und greifen daher in anderen Lebensbereichen auf die Ästhetik zurück: Leinenstoffe und 50er-Jahre-Looks in Modebelangen oder Freizeitaktivitäten wie ein Waldspaziergang oder Brot backen heben die digitale Dorfidylle ins reale Leben. Die 29-jährige Niederösterreicherin Veronika Wolf zeigt auf Instagram, wie Cottagecore auch ohne teuren Landsitz funktioniert. Unter dem Pseudonym yokonika veröffentlicht sie dort Bilder, die in warme Farben getaucht sind und vor einer Waldkulisse oder in einer Blumenwiese entstehen. Ihr Markenzeichen sind wallende Trachtenkleider, Blumengestecke im Haar oder geknüpfte Strohhüte auf dem Kopf, unter ihrem Arm ist oft ein Buch oder ein geflochtener Korb zu finden. Die Kleidung, die Wolf auf ihren Bildern trägt, bekommt sie oft kostenlos zugeschickt. Im Gegenzug verlinkt sie die Bekleidungsgeschäfte in ihren Beiträgen. 

Obwohl die Romantisierung eines ländlichen Lebens wie zu Großmutters Zeiten einen biederen Beigeschmack hat, gilt die Cottagecore-Gemeinschaft als divers und progressiv. „Die Cottagecore-Community mag die Vintage-Ästhetik, aber nicht die alten Werte. Niemand von uns hat nostalgische Gefühle für die 50er-Jahre“, meint Wolf. Die mehrgewichtige und queere Bloggerin fühlte sich beim Vintage-Trend, der häufig durch scheinbar makellose Frauen in traditionellen Geschlechterrollen transportiert wird, nicht repräsentiert. Daher begann sie 2019 ihren eigenen Instagramblog und hat seitdem viele Gleichgesinnte gefunden.

Auf dem Blog thematisiert sie außerdem ihre psychischen Probleme, um sie zu entstigmatisieren. „Cottagecore hilft mir dabei, mich selbst auszudrücken und mich selbst zu akzeptieren. Wenn ich Pflanzen um mich herum habe, ein Pilzmuster sehe oder das Gefühl von Leinen auf der Haut spüre, geht es mir gleich besser“, erzählt Wolf. Sie weiß, dass das Landleben nicht immer so idyllisch ist, wie die Cottagecore-Ästhetik suggeriert: „Cottagecore ist eine Idealvorstellung und hat nichts mit der Realität zu tun. Es idealisiert ein Leben auf dem Land, aber ohne Vorurteile und negative soziale Einflüsse.”

Wie bei vielen Internettrends geht es bei Cottagecore darum, ein gewisses Lebensgefühl zu vermitteln. Alles soll ein bisschen bunter, ein bisschen freundlicher, ein bisschen einfacher als im echten Leben sein. Es lässt sich schwer schätzen, wie viele Menschen heute tatsächlich im Cottagecore-Stil leben und für wie viele es bloß ein Traumbild bleibt, das sie im digitalen Raum aufsuchen. Wolfs Einschätzung nach geht die Entwicklung der Ästhetiken weiter: „Cottagecore wird nicht lang im Mainstream bleiben und in eine Nische rutschen, der sich aber viele Menschen zugehörig fühlen.“ Der nächste Internettrend kommt bestimmt.

Es war 1983, zehn Jahre vor der Erfindung des World Wide Web, als Steve Roberts, ein freiberuflicher Schriftsteller und Unternehmensberater aus den USA, beschloss, sein Liegerad zu einem mobilen Büro umzubauen. „Irgendwann dachte ich: ,Moment mal, freiberufliches Schreiben soll doch eine Lizenz zur Freiheit sein, und ich bin an meinen Schreibtisch gekettet‘“, sagte Roberts dem US-amerikanischen Magazin „Fast Company“ im vergangenen Sommer. Er entschied also, seine Besitztümer zu verkaufen, um von dem zu leben, was er an seinem Fahrrad befestigen konnte. Dazu gehörten: ein portabler Computer, ein Funkgerät, ein Solarpaneel und eine in das Lenkrad eingebaute Tastatur, die es ihm ermöglichte, in die Pedale zu treten, während er E-Mails auf CompuServe (dem damaligen Vorreiter der Internetdienstanbieter) schrieb und Artikel für Computerzeitschriften verfasste. Er schrieb und trat, gleichzeitig, um sich seinen Traum vom Reisen zu finanzieren.  

Was damals wie heute verrückt klingt, ist mittlerweile zum Massentrend geworden. Digitale Nomaden haben eine Vision: ein freies und multilokales Leben zu führen mithilfe digitaler Technologien. Das bedeutet, dass sie meist nicht nur an einem Ort leben und arbeiten, sondern die Welt als ihr Zuhause betrachten. Gearbeitet wird von einem Crowdworking-Space aus ebenso wie in einem Boot, am Strand, im Garten, am Berg, im Van – das Repertoire an Möglichkeiten ist groß. 

Anders als Roberts reisen die Nomaden heute anstatt mit einem selbst gebastelten Tech-Rad mit dem Flugzeug und dem Zug. Gleich geblieben ist, dass es ihnen darum geht, während des Arbeitens andere Kulturen zu erkunden. Smartphones, Laptops und der Zugang zum Internet sowie soziale Medien machen es möglich. Digital Natives sind mit der Digitalisierung aufgewachsen. Sie zählen zu der Generation der Millennials, wie die in den Jahren von 1980 bis 1997 Geborenen auch genannt werden. Was sie von diesen aber doch wieder abhebt: Sie reisten schon sehr jung sehr viel, sind bestens vernetzt und ausgebildet.

Eine Umfrage, über die die Jobbörse Absolventa 2014 berichtete, ergab, dass sich knapp 60 Prozent der Generation Y, wie die Millennials auch genannt werden, gut vorstellen können, im Ausland zu arbeiten und zu leben. (Diese Zahl bezieht sich auf Deutschland. Umfragen aus anderen Ländern bringen ähnliche Zahlen hervor.)

Fabio Hildenbrand, Unternehmensgründer und digitaler Nomade aus dem deutschen Heidelberg, ist auch ein Millennial. Als 23-Jähriger gründete er im Sommer 2020 das Unternehmen Backpacker Trail, das Menschen dabei hilft, möglichst problemlos ihrer Leidenschaft zu folgen: dem Reisen. Seine Kunden, ebenfalls digitale Nomaden, sind am häufigsten in digitalen Berufen tätig. Das bedeutet: Sie verdienen ihren Lebensunterhalt meist mit Affiliate-Marketing, also Kooperationen zwischen Verkäufern und Websitebetreibern, (Reise-)Blogs, Social-Media-Partnerschaften, E-Commerce, Webdesign und Programmierarbeiten, wie aus einer Infografik der Unternehmertum-Plattform preneur.de aus dem Jahr 2016 hervorgeht.

Hildenbrand entdeckte seine Liebe zum Umherwandern nach der Matura:  „Nachdem ich in den USA und Australien war und dann eine Zeit lang in London zum Geldverdienen, ging es weiter nach Lateinamerika“, erzählt er. Um sich dieses Leben leisten zu können, arbeitete er als Kirschenpflücker, Englischlehrer oder half auf einer Schaffarm aus. „Es waren zwei Jahre, in denen ich einfach nur um die Welt gereist bin, gearbeitet und für mich festgestellt habe, dass ich das Know-how, das ich mir angeeignet habe, anderen Leuten auch zur Verfügung stellen will.“

Doch was bietet sein Start-up konkret? Eine Software filtert persönliche Präferenzen des Nutzers, um eine individuelle Reiseroute zu erstellen. Dabei können Rucksacktouren in mehr als 90 Destinationen realisiert werden. „Unser Geschäftsmodell besteht darin, insbesondere die Recherche, Planung und Durchführung der Reise für Backpacker durch das Service unserer Web-Applikation zu unterstützen, damit die Organisation der Reise nicht zum Hindernis wird“, sagt Hildenbrand, der seinem LinkedIn-Profil zufolge selbst schon 55 Länder bereist hat. „Was Reisebüros in Stunden machen, bietet wir innerhalb von einer Minute.“

Auch Anna Oladejo fühlt sich den digitalen Nomaden zugehörig, obgleich sie mit ihren 53 Jahren nicht mehr zu den Millennials zählt. „Mir geht es darum, die Flexibilität auszukosten in anderen Umgebungen, in anderen Kulturen mit anderen Menschen und Systemen“, sagt die Kulturanthropologin. Durch ihre Reisen in Afrika will sie zudem die dortigen Märkte verstehen und erschließen. Noch bedient sie als Marketing-Expertin und Gründerin der Werbeagentur Interlink Marketing mehrheitlich den österreichischen Markt.

„Die Arbeit steht sehr wohl im Vordergrund, nicht der Spaß. Das Klischee, dass wir alle nur auf Urlaub wären, möchte ich aus dem Weg räumen“, sagt die Vorarlbergerin, die den Großteil des Jahres 2021 in Ghana, Gambia und Kamerun verbracht hat. „Die Arbeit ist, was mich antreibt, das zu tun“, sagt sie. „Der Blick auf das schöne Meer hinter dem Schreibtisch ist einfach nur eine zusätzliche Motivation.“ Während sie den afrikanischen Onlinemarketing-Markt kennenlernt, sich mit ansässigen Branchenkennern vernetzt, arbeitet sie in ihrer Agentur halb- bis ganztags vom Laptop aus. 

Ihr zweites Standbein, BaoBeach Villages, ist ein Projekt, das noch im Aufbau ist. Auf Oladejos erster Reise nach Gambia entstand die Vision, fünf Rundhäuser zu bauen. Daraus entwickelte sie – gemeinsam mit ihren Projektpartnern, Baba Sillah und Jules Mekontchou – eine viel größere Dimension: den Bau von mehreren Eco-Lodges als Kraftorte in verschiedenen Ländern Afrikas. 

Das digitale Nomadentum ermöglicht ortsunabhängiges Schaffen, das Sammeln neuer Eindrücke, das Kennenlernen von anderen Menschen und Systemen, das Gefühl von Freiheit und Selbstbestimmung, vor allem in Bezug auf die Karriere und Weiterbildung des Selbst. Doch mindestens genauso viele Nachteile prägen den Lebens- und Arbeitsstil: Der häufige Ortswechsel erfordert die Gabe der konsequenten Planung. Der durchschnittliche digitale Nomade hält sich nur wenige Wochen bis Monate am Stück in einem Gastland auf. Nicht ohne Risken: Da die meisten von ihnen nur ein Touristen-Visum besitzen, ist das Recht auf Arbeit oft gar nicht gegeben.

Weiters gilt es, sich über Versicherungen, Zahlungsmethoden und Steuern Gedanken zu machen, um nicht in die Illegalität abzurutschen. Und die Einsamkeit zu bewältigen: Langfristige zwischenmenschliche Beziehungen sind schwer möglich. Für Anna Oladejo kommt noch etwas hinzu: „Für mich ist die größte Herausforderung, tagtäglich eine funktionierende Internetverbindung und eine gute Stromversorgung zu finden – in afrikanischen Ländern scheitert es mitunter schon am Strom.“

In den sozialen Medien – insbesondere auf Instagram –, die von den digitalen Nomaden zuhauf genützt werden, sind freilich nur die Sonnenseiten zu sehen. Dass viele finanziell weit weniger erfolgreich sind als angedeutet, zeigt eine Umfrage der Harvard-Professorin Beth Altringer aus dem Jahr 2015. Demnach sind viele Nomaden teils hoch verschuldet.

Beth Altringer geht von zehn Millionen bis 100 Millionen digitalen Nomaden weltweit aus. Genaue Zahlen gibt es zur weltweiten Messung nicht. Altringers Schätzungen basieren auf den Daten ihres Projekts „Nomad List“, einer Online-Austausch-Plattform für digitale Nomaden, die mehr als 10.000 Mitglieder zählt.

Schätzungen der IMBO Partners 2021 Study of Independence zufolge ordneten sich allein in den USA im Jahr 2021 rund 10,2 Millionen Menschen diesem Lebensstil zu. Bei 6,3 Millionen Menschen im Jahr 2020 ist das eine Steigung von 42 Prozent. Diese Zahl werde vermutlich noch steigen, wenn Millionen von Menschen die Flexibilität und Freiheit erkennen, die ihnen dieser Arbeitsstil bieten kann, meint Hildenbrand. „Wir in Deutschland und Österreich müssen Strukturen schaffen, die das ermöglichen, denn am Ende geht es ja darum, genau diese jungen Leute auch zufriedenzustellen”, sagt er. Die neue Generation sei ausschlaggebend dabei, einen Wandel der Arbeitswelt anzutreiben. „Die Generation Z (die Nachfolgegeneration der Millennials, Anm.) strebt nach möglich vielen Erlebnissen und Erfahrung. Unsere Challenge als Gesellschaft wird es sein, diese Leute abzufangen und in passende Modelle zu investieren“, sagt Hildenbrand. 

Dadurch, dass Home-Office sich in vielen Branchen durchgesetzt hat, hat die Pandemie das digitale Nomadentum zwar befeuert, aber gleichzeitig durcheinandergebracht – das spüren auch Oladejo und Hildenbrand. Coronabedingt sind die beiden Nomaden wieder „nach Hause“ – Oladejo nach Wien, Hildenbrand nach Heidelberg - zurückgekehrt. Konkret: Sie konnten zu ihrer nächsten Reise noch gar nicht aufbrechen. Beide wünschen sich, schon bald wieder im Ausland zu verweilen und zu arbeiten – Oladejo in Kamerun und Hildenbrand in Peru.

Und was geschah mit Steve Roberts? Sein Tech-Rad Behemoth steht heute als Ausstellungstück im Computer History Museum in Mountain View, Kalifornien. Ein Blick auf seine Website verrät: Er verbrachte das vergangene Jahrzehnt damit, entlang der amerikanischen Westküste eine Reihe von Booten auszustatten, von denen er jedes mit einer immer größer werdenden Sammlung aus Tech-Gadgets – von einer Maschinenwerkstatt über einen Funkscanner bis zu einer Thermografie-Anzeige, einer Wetterstation, einem 3-D-Printer, sogar einem portablen Piano – aufgerüstet hat.

Die meisten Gadgets beinhaltet sein letztes Bootprojekt: die Datawake. Das etwa 16 Meter lange Modell aus dem Jahr 1974 funktionierte er in eine „nomadische Forschungsplattform“ um, um von ihm aus „Sonden zu starten, Daten zu sammeln und genügend Werkzeuge an Bord zu haben, um als Nomade von landgestützten Einrichtungen wegzukommen“. Von 2016 bis Ende 2021 wohnte der selbst ernannte „Tech-Nomad“ auch an Bord des schwimmenden Labors. Nun aber ist er an Land gezogen und stellt die Datawake anderen digitalen Nomaden zur Verfügung. Wohin es ihn selbst als Nächstes zieht, verriet er bisweilen nicht.

Österreich ist ein Einwanderungsland. Besonders in Wien ist das jedem klar, der beim Spaziergang durch die Stadt die Ohren offen hält. Schon seit 1983 werden von der Statistik Austria jedes Jahr mehr Einwanderer als Auswanderer gezählt. 2020 kamen 136.300 Personen nach Österreich. Etwa 96.300 Menschen haben das Land im selben Zeitraum verlassen. Unter die Zugewanderten fallen großteils Arbeitsmigranten, Asylwerber und wiederkehrende Österreicher. Aber nicht alle kommen, um zu bleiben – wie nicht zuletzt die Gruppe der ausländischen Studenten und Forschenden.

Eines aber gilt für alle in gleichem Maße: Sie brauchen einen Aufenthaltstitel, etwa die Rot-Weiß-Rot-Karte für Arbeitskräfte, das Studentenvisum für Studierende oder die sogenannte Blaue Karte für Gutverdiener, die ein Bruttojahresgehalt von mindestens 66.593 Euro zuzüglich Sonderzahlungen verdienen.

Die meisten Zugewanderten kommen aus Staaten der Europäischen Union (EU). Wohl auch deshalb, weil sie – anders als Personen aus Drittstaaten – keinen Aufenthaltstitel benötigen, um sich hier niederzulassen.

Das spiegelt sich auch im 2020 veröffentlichten Migrant Integration Policy Index, der die Integrationspolitik von 56 Ländern untersucht. Österreich liegt hier im Mittelfeld, bildet jedoch bei der Gewissheit von Drittstaatenbürgern, langfristig im Land bleiben zu können, das Schlusslicht. Die Begründung: Hürden bei der Familienzusammenführung und der Erneuerung des Aufenthaltstitels sowie der Umstand, dass zugewanderte Personen die Staatsbürgerschaft erst nach zehnjährigem Aufenthalt beantragen können.

Vor der Coronapandemie wurde Wien vom „Economist“ 2018 und 2019 als „lebenswerteste Stadt der Welt“ gewürdigt. In den fünf Kategorien Stabilität, Gesundheitsfürsorge, Kultur und Umwelt, Bildung und Infrastruktur schnitt sie unter den 140 untersuchten Städten am besten ab. Kein Wunder also, dass es die Menschen nach Wien zieht. Wegen der Folgen der Pandemie, die in Form von Lockdowns, der Belastung des Gesundheitssystems und stark limitierten kulturellen Angeboten kamen, rutschte die Bundeshauptstadt im Vorjahr auf Platz zwölf ab. An erster Stelle liegt nun die neuseeländische Metropole Auckland. Trotzdem scheint die Beliebtheit Wiens nicht nachzulassen, denn immerhin leben in Österreich 40 Prozent der Personen mit ausländischem Geburtsort in der Hauptstadt.

Für Immigranten hat die Wohnungssuche meist schon vor der Ankunft Priorität, wie Florian Rautner von den Grätzleltern, einem Projekt der Caritas, erzählt. Dort werden Zugewanderte von Freiwilligen in 28 Sprachen beraten. „Wohnen ist die Grundvoraussetzung für das gelungene Teilhaben an der Gesellschaft: Wenn die Wohnsituation nicht passt, dann werden alle anderen Dinge auch schwer“, sagt Rautner.

Grundsätzlich gibt es in Wien viel leistbaren Wohnraum, der auch international für Aufmerksamkeit sorgt, wie jüngste Berichte von Bloomberg zeigen. 45 Prozent des Wohnungsmarkts besteht demnach aus geförderten Wohnungen, folglich Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen, in denen rund 60 Prozent der Wiener leben. Personen, die neu in die Bundeshauptstadt ziehen, bleibt der Zugang zu geförderten Wohnungen zunächst verwehrt. Ihre Anlaufstelle sind in der Regel private Mietwohnungen. Nachdem sie zwei Jahre an derselben Wohnadresse gelebt haben, kommen sie für das sogenannte Wiener Wohn-Ticket infrage und dürfen sich für eine Gemeindewohnung der Stadt Wien bewerben. Das gilt für Österreicher sowie EU-Bürger. Drittstaatenbürger benötigen hingegen einen dauerhaften Aufenthaltstitel, den sie üblicherweise erst nach fünf Jahren bekommen können. Geflüchtete Personen sind indes Österreichern und EU-Bürgern gleichgestellt, jedoch erfüllen sie die restlichen Voraussetzungen des Wiener Wohn-Tickets manchmal nicht.

Übrig bleiben geförderte Genossenschaftswohnungen, die ihrerseits an Bedingungen geknüpft sind – vorgegeben werde diese jedoch nicht von der Stadt, sondern sie variieren je nach Bauträgern. Gemein ist ihnen, dass sie für Zugewanderte nicht leicht zu erfüllen sind. So wird mitunter ein Finanzierungsbeitrag eingefordert, der laut Arbeiterkammer bei neuen Wohnungen bei 15.000 bis 30.000 Euro einzuschätzen ist.

Doch auch für österreichische Staatsbürger kann es eng werden, wenn sie in einer Partnerschaft mit einem Drittstaatenbürger sind. Ehepaare können das Wiener Wohn-Ticket nur gemeinsam beantragen und müssen jeweils alle Voraussetzungen erfüllen. Wenn Drittstaatenbürger also keinen permanenten Aufenthaltstitel haben, können auch ihre österreichischen Ehepartner keine Gemeindewohnung beantragen.

Clemens (48) wurde in Venezuela geboren und verbrachte dort 43 Jahre seines Lebens. Weil seine Eltern Österreicher sind, ist er Doppelstaatsbürger. Als in Venezuela vor sechs Jahren Lebensmittel und Medizin zur Mangelware wurden, eine Hyperinflation eintrat und Sicherheit nicht mehr garantiert war, schloss er sich den 5,9 Millionen Venezolanern an, die bis Ende 2021 ihr Heimatland verließen und zog mit seiner sechsköpfigen Familie nach Wien.

Entgegen seinen Erwartungen waren die Hürden für seine Familie bei der Einreise schnell überwunden: „Ich kann mich über die Unterstützung in Österreich nicht beklagen. Die ist genial. Es gibt wenige Länder, die so sozial positiv eingestellt sind und so viel helfen“, sagt er. Mit minimalem bürokratischen Aufwand waren seine vier Kinder nach wenigen Tagen Österreicher. Allerdings gestaltete sich die Rückkehr in puncto Wohnen weniger einfach: Zunächst lebte die Familie im Haus seiner Mutter in Wien. Der Antrag auf eine eigene Gemeindewohnung scheiterte daran, dass seine Ehefrau Venezolanerin ist und nur einen temporären Aufenthaltstitel bekam. Erst mit ihrem Daueraufenthaltstitel, also frühestens nach fünf Jahren in Wien, steht ihnen eine Gemeindewohnung zu.

Auch als Clemens auf dem privaten Wohnungsmarkt sein Glück versuchte, wurde er mehrfach abgelehnt. Er vermutet, dass er als Mieter unerwünscht war, weil er keinen fixen Job hatte und Sozialhilfe bezog.

Auf dem privaten Markt gibt es auch Zusatzkosten, wie hohe Kautionen und Maklergebühren, die für Neuankömmlinge oft nicht leistbar sind. Besonders fehlen ihnen aber die sozialen Verbindungen, über die der Wohnungsfund oft zustande kommt, erklärt Rautner.

„Der private Wohnmarkt ist einfach teurer, und auch nicht so gut reguliert. Es gibt Makler, die teilweise Zielgruppen ausnutzen und relativ schlechte Wohnungen hergeben, weil die Mieter nicht kommunizieren können, was sie daran stört.“ Rautner sehe oft Familien, die in alten, unsanierten Gebäuden wohnen, in denen sie trotz Feuchtigkeit und Schimmel hohe Mieten zahlen.

Für zugewanderte Personen kann im privaten Markt auch Diskriminierung zum Verhängnis werden. 2019 gaben in einer Studie der Arbeiterkammer 30 Prozent der Befragten mit erkennbarem Migrationshintergrund an, bei der Wohnungssuche oder in der direkten Wohnumgebung Diskriminierung erfahren zu haben.

Zu ihnen zählt auch die 25-jährige Polina aus Russland. Sie macht gerade ihren Master an der Universität für Bodenkultur und wohnt in Wien. Als sie Interesse an einer privaten Wohnung hatte, legte sie für die Bürgschaft das Jahreseinkommen ihres Vaters vor. Dieser ist selbstständig und arbeitet in Russland und der Slowakei. Weil sie aus Russland komme und die Unterlagen „so unklar“ seien, verlangte der Makler eine Kaution von sieben Monatsmieten, anstatt den branchenüblichen drei Monaten, erzählt sie. Polina lehnte das Angebot ab und fand kurz darauf eine andere Wohnung, für die sie ohne Probleme eine Zusage erhielt. Seitdem ist ihr jedoch bewusst, dass ihre Herkunft bei der Wohnungssuche ein Hindernis sein könnte.

Doch nicht alle haben wie Polina im zweiten Anlauf Glück: Wohnungs- und Obdachlosigkeit sind auch in Österreich keine Seltenheit. Als wohnungslos zählen Menschen, die vorübergehend bei Freunden oder in Einrichtungen, wie zum Beispiel in Unterkünften der Wohnungslosenhilfe, leben. Obdachlos sind hingegen jene, die auf öffentlichen Plätzen leben oder in Notfallquartieren untergebracht werden.

2018 zählte die Statistik Austria circa 22.740 als obdachlos bzw. wohnungslos registrierte Menschen – die Dunkelziffer dürfte weit höher sein. Rund 46 Prozent davon wurden im Ausland geboren. Zum Vergleich haben insgesamt 18 Prozent der österreichischen Bevölkerung einen ausländischen Geburtsort. Dafür gibt es in Wien soziale Auffangnetze, auf die aber nicht jeder den gleichen Anspruch hat. Viele Hilfsprojekte für obdachlose Menschen laufen nämlich über den Fonds Soziales Wien, auf den jene Personen Anspruch haben, die österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt sind. Für Drittstaatenbürger gilt das grundsätzlich erst mit dem Daueraufenthalt, also nach fünf Jahren. Für EU-Bürger wird es schwierig, wenn sie keine längerfristige Anstellung in Österreich vorweisen können.

Um diese Lücke zu schließen, gibt es Institutionen wie die Zweite Gruft in Wien. Dort wird momentan bis zu 66 Männern, die sonst keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben, ein Notquartier geboten. Daher finanziert sich das Projekt ausschließlich über Spenden.

Am anderen Ende des Spektrums der Probleme, die man hinsichtlich Wohnen haben kann, liegt der Immobilienerwerb. Dieser ist in Österreich prinzipiell allen Personen möglich. Menschen, die im Ausland geboren wurden, leben aber deutlich häufiger in Mietwohnungen. 2020 gab die Statistik Austria bekannt, dass Personen mit ausländischem Geburtsort zu 73 Prozent in Mietwohnungen leben, während es bei Österreichern ohne Migrationshintergrund 34 Prozent sind.

Für den Kauf müssen Drittstaatenbürger in Wien eine Genehmigung nach dem Ausländergrunderwerbsgesetz beantragen. Mit der Dauer des Aufenthalts steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass Zugewanderte in eigenes Eigentum investieren. Ohne vorher zumindest einen dauerhaften Aufenthaltstitel zu haben, würden sie jedoch ein gewisses Risiko eingehen.

Weder für Clemens noch für Polina steht ein Wohnungskauf im Raum. Nach dem Studium will Polina aber im Land bleiben: „Ob es sich mit dem ganzen Papierzeug ausgeht, ist eine andere Frage“, sagt sie. Denn nach ihrem Abschluss ändert sich ihr Aufenthaltsstatus: Aus dem Studentenvisum muss eine Rot-Weiß-Rot-Karte werden, für die sie wiederum neue Bedingungen erfüllen muss.

Die Familie von Clemens ist mittlerweile nach Spanien gezogen. Er selbst pendelt zwischen Madrid und Wien, wo er nach wie vor im Haus seiner Mutter lebt. Dieses soll jedoch bald verkauft werden. Ob sie danach erneut versuchen werden, eine private Wohnung in Wien zu finden, ist ungewiss.

„Hätte ich die Wahrheit gesagt, hätte ich die Wohnung nicht bekommen.“ Lucy F. ist 30 Jahre alt, lebt in Wien. „Ich habe einfach geradeaus gelogen“, erzählt sie von einer Wohnungsbesichtigung vor gut drei Jahren, bei der sie ihren Status verschwiegen hat. Er lautet: alleinerziehend. Ein Umstand, der es ihr, wie sie sagt, in der Vergangenheit unmöglich gemacht hat, auf ehrlichem Weg eine Mietwohnung zu bekommen. Denn einschlägigen Online-Plattformen für Wohnberatung zufolge lautet die goldene Regel: Die monatlichen Wohnkosten sollten maximal ein Drittel des Netto-Haushaltseinkommens ausmachen. Bei Lucy verschlingt Wohnen jeden Monat allerdings knapp die Hälfte ihrer Einkünfte. Für größere Besorgungen muss sie auf Erspartes zurückgreifen.

Ein Missverhältnis, das sich nicht so schnell ändern dürfte. Im Gegenteil: Die Mietpreise in Wien entwickeln sich „sehr dynamisch“, belegt eine im Juni 2021 veröffentlichte Studie des internationalen Immobilien-Dienstleisters Colliers, welche die Situation auf dem Immobilienmarkt in den europäischen Großstädten vergleicht. Demnach wird das starke Bevölkerungswachstum in Wien auch weiterhin für steigende Wohnkosten sorgen. Die baldige Zwei-Millionen-Einwohner-Metropole zeichne sich zudem durch einen besonders hohen Anteil an Mietwohnungen aus und biete nur einen bedingten Raum für Investoren, lautet die Conclusio.

>>> Markus Hagspiel hat sich diesen „Raum für Investoren“ und die damit einhergehenden Auswirkungen auf die Wohnpreise genau angesehen.

Der Wiener Wohnungsmarkt ist aber nicht nur vergleichsweise teuer, sondern zum Teil auch ungerecht und diskriminierend. Ethnische Herkunft spielt eine Rolle, das Geschlecht ebenso. „Yusuf Yilmaz“ hat bei der privaten Vergabe einer Wohnung nicht die gleichen Chancen wie „Michael Huber“, wie Gespräche hinter vorgehaltener Hand mit Betroffenen auf Sucher- und Vergeberseite zeigen. Nachweisen lässt sich das aber selten, zu groß ist die Angst, der Weg an die Öffentlichkeit könnte die eigene Situation verschlechtern. In Bezug auf das Geschlecht sind die benachteiligenden Umstände indes offenkundig: Frauen sind von steigenden Mietpreisen stärker betroffen, weil sie einem geschlechtsspezifischen Lohngefälle, dem sogenannten Gender Pay Gap, ausgesetzt sind. Soll heißen: Österreich zählt nach wie vor zu den EU-Ländern mit dem größten Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern. Diese Differenz lag hierzulande im Jahr 2019 bei rund 20 Prozent und damit deutlich über dem EU Schnitt (14,1 Prozent).

Lucy arbeitet bis zu 20 Stunden in der Woche im Bereich Öffentlichkeitsarbeit. Sie verdient Geld, gibt es sparsam aus, bezahlt ihre Rechnungen pünktlich. Trotzdem war sie bei der Vergabe von privaten Mietwohnungen stets auf Notlügen oder die Bürgschaft ihrer in Zürich lebenden Eltern angewiesen. Auch bei der Erziehung, Versorgung und Betreuung ihrer vierjährigen Tochter war sie, abgesehen vom Kindergarten, auf sich allein gestellt. Vor knapp einem Jahr änderte sich das: Seither wohnt sie in einer Alleinerziehenden-WG, teilt sich den Haushalt mit einer befreundeten Mutter und deren Tochter. Um in diese Wohngemeinschaft einziehen zu dürfen, waren keine falschen Angaben notwendig, wohl aber die Vernetzung mit anderen Alleinerziehenden, durch die sie von der günstigen Wohnmöglichkeit erfahren hat.

Leistbares, unbefristetes Wohnen basierend auf sozialem Rückhalt – ein gemeinschaftliches Wohnkonzept, das auch Sarah Zeller vermittelt. Die Gründerin und Leiterin des Vereins von und für Getrennt- und Alleinerziehende (Juno) ist Familien- und Lebensberaterin. Gemeinsam mit ihrem Team berät sie rund 2800 Alleinerziehende pro Jahr. Sie kennt die Hürden, mit denen ihre wohnungssuchenden Klienten konfrontiert sind. „Die meisten Wohnungen sind auf Mutter-Vater-Kind-Familien ausgerichtet“, sagt Zeller. Alleinerziehende haben andere Bedürfnisse: „Im Idealfall gibt es mehrere kleinere Zimmer. Für einen Elternteil mit zwei Kindern sind das vier Räume, sodass jede Person ein eigenes Zimmer hat und es noch einen Gemeinschaftsraum gibt.“ In Zusammenarbeit mit gemeinnützigen Bauträgern bemüht sich Juno daher um möglichst viele sogenannte Smart-Wohnungen. Diese sind bei Mietpreisen von 7,50 Euro pro Quadratmeter gedeckelt, inklusive Betriebskosten. Der zusätzliche Finanzierungsanteil, der einer Kaution entspricht, liegt bei einer solchen geförderten 50-Quadratmeter-Wohnung allerdings immer noch bei rund 3000 Euro. Fehlen Alleinerziehenden dann erst recht die Rücklagen dafür, gebe es Wege, um das Geld aufzustellen. Etwa mit Unterstützung des Magistrats, sagt Zeller.

Neben Leistbarkeit ist also genügend Raum der entscheidende Faktor für Alleinerziehende, umso mehr während pandemiebedingter Lockdowns. Aus einer Studie von Juno im Jahr 2019 geht hervor, dass es in Ein-Eltern-Familien in Wien an Rückzugsraum mangelt. So hat ein Drittel der befragten Alleinerziehenden kein eigenes Schlafzimmer und ein Drittel der Kinder kein eigenes Kinderzimmer. „Teilweise muss in sehr beengten Verhältnissen gelebt werden, was die belastende Situation zusätzlich verschärft“, sagt Zeller. Was familienfreundlichen und frauengerechten Wohnbau noch ausmacht und wie er sich entwickelt hat, wurde übrigens bei der Online-Ausstellung der Technischen Universität Wien skizziert.

In Wien ist statistisch gesehen jeder vierte Haushalt mit Kindern von Alleinerziehenden geführt, davon sind mehr als 90 Prozent Frauen. Allerdings: In der Realität sei dieses Geschlechterverhältnis zumindest etwas ausgewogener, da meist der Hauptwohnsitz der Mutter angegeben wird, wenn geteiltes Sorgerecht für ein Kind vereinbart wurde, meint Zeller. Außerdem gibt es natürlich nicht nur weibliche oder männliche Alleinerziehende. Bei der jährlichen Haushaltsbefragung der Statistik Austria ist das Geschlecht jedoch nur in diesen zwei Ausprägungen ausgewiesen. Der Grund dafür sind zu geringe Fallzahlen bei Personen mit nicht binärer Geschlechtsangabe.

Fakt ist: Aktuell wohnen mehr als 82.000 Alleinerzieherinnen in Wien – Tendenz steigend. Im Jahr 2004 waren es noch rund 68.000. Durchschnittlich haben diese ein Nettoeinkommen von 1680 Euro im Monat zur Verfügung. Sie gehören damit jener Gruppe von Menschen an, die sich finanziell besonders schwer tun, wie eine Analyse von Forschern der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien im Auftrag des Sozialministeriums ergeben hat. Bei der Betrachtung der Lebensumstände im Jahr 2020 zeigte sich, dass die Wahrscheinlichkeit, relativ viel für das Wohnen aufzuwenden (mehr als 30 Prozent des Einkommens), vor allem bei Jungen, Alleinerziehenden und Singles, die in Miete leben, am höchsten ist.

Das sei überraschend, da die Gruppe der älteren Menschen, die etwa von Altersarmut betroffen sein könnte, nicht so stark repräsentiert war, sagt Co-Studienautor Emanuel List. „Wir sehen, dass vor allem junge Menschen sehr viel für die Wohnkosten ausgeben und hier an ihre Grenzen stoßen. Die Gruppe, die bei solchen Analysen leider fast immer stark ausschlägt, sind die Alleinerziehenden. Da geht der Koeffizient durch die Decke“, konstatiert der Forscher.

Ein-Eltern-Haushalte verzeichneten im Jahr 2020 bundesweit mit einer Quote von 45 Prozent die höchste Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung der unterschiedlichen Haushaltstypen. Für Mütter in Ein-Eltern-Familien ist zudem die Doppelbelastung von Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung besonders hoch. Einer Zeitverwendungsstudie  der WU Wien und der Arbeiterkammer zufolge arbeiteten alleinerziehende Frauen während des ersten Corona-Lockdowns (Erhebungszeitraum: 20. April bis 14. Mai) im Durchschnitt 15 Stunden pro Tag, neun davon unbezahlt in Form von Kinderbetreuung und Hausarbeit.

In Krisenzeiten zeigt sich oft besonders gut, wo angesetzt werden muss, lautet eine Volksweisheit. Im aktuellen Fall trifft sie zu: „Alleinerziehende leben die Familienform, die finanziell und sozial am meisten unter Druck steht“, sagt Juno-Beraterin Zeller. Die Hebel, bei denen angesetzt werden müsse, sind im Grunde altbekannt: „Leistbarer Wohnraum, flexible Kinderbetreuung, Unterhaltssicherung oder Kindergrundsicherung, höhere Löhne und Absicherung von Familien im Sozialsystem“, zählt sie auf.

Wer Leistbarkeit sagt, muss auch über die größte kommunale Hausverwaltung Europas sprechen – Wiener Wohnen. Geförderter Wohnbau ist die priorisierte Wohnform von Alleinerzieherinnen, trotzdem wohnt nicht einmal jede Fünfte (17 Prozent) in einem solchen. Grund dafür sind Steine, die nicht im Weg liegen müssten, ein großer Brocken davon wurde schon weggeräumt: Der Zugang zu geförderten Wohnungen war bis Juni 2020 durch die komplexen Anforderungen zum Erhalt des Wiener Wohn-Tickets erschwert, hinzu kommt dann eine durchschnittliche Wartezeit von zwei Jahren bis zur Vergabe.

Seither reicht „alleinerziehend“ als Kriterium aus, um ein Wiener Wohn-Ticket zu lösen. Dieser nun begründete Wohnbedarf ermöglicht Alleinerziehenden neben geförderten Wohnungen auch den Zutritt zu den rund 220.000 Gemeindewohnungen in Wien. So keine akute Wohnraumnot besteht, hängt die Wartedauer bis zu einem Angebot von den individuellen Wünschen (Bezirk, Grundrissgestaltung etc.) der Antragsteller ab. Wie lang es im Durchschnitt dauert, bis Alleinerziehende in akuter Wohnraumnot nach Antragstellung eine geförderte Wohnung angeboten bekommen, ist unklar.

Eine Anfrage der „Presse“ wurde vom Wohnservice Wien nur vage beantwortet. Aber: „Seit Anfang dieses Jahres können Menschen, die pandemiebedingt in eine Wohnraumnot geraten sind, dazu zählen auch Alleinerziehende, von einer Sonderaktion Gebrauch machen, das heißt sehr rasch eine Gemeindewohnung über die Plattform der Wohnberatung Wien erhalten“, hieß es dazu in einer schriftlichen Stellungnahme.

Auf dem Areal neben der ehemaligen Remise „Wolfganggasse“ in Wien-Meidling entsteht ein neuer Stadtteil. Rund 850 geförderte Wohnungen sowie 181 Wohneinheiten mit 214 Pflegeplätzen bieten Menschen mit unterschiedlichen Wohnbedürfnissen ein Zuhause. Heuer werden die ersten der insgesamt rund 2.000 Bewohner dort einziehen. Die Bruttomieten in den unterschiedlichen Bauteilen des Quartiers sind zwischen rund 7,50 Euro und 8,40 Euro pro Quadratmeter angesiedelt.

Ein Schwerpunkt liegt auf den Wohnformen für Ein-Eltern-Familien. Für die Kleinsten ist ein Kindergarten mit Außenbereich geplant. Ein Mutter-Kind-Haus mit sieben Wohngemeinschaften, soll kurzfristig und flexibel Wohnraum schaffen. Die Voranmeldung läuft bis alle Vormerkplätze vergeben sind.

Fest steht: Das Wohnprekariat für alleinerziehende Frauen ist real. Aber es gibt Umwege bzw. Auswege durch Hilfe von unterschiedlichen Stellen. Alleingelassen fühlt sich Lucy im Wiener Wohnungsdschungel daher nicht. Vor allem aufgrund von Initiativen seitens der Stadt Wien sowie Netzwerken und Vereinen wie Juno. Auf dem privaten, sprich ungeförderten Wohnungsmarkt hingegen weht auf dem Weg zu passendem Wohnraum dann doch ein rauer Wind, der besonders Alleinerziehenden entgegenbläst. Aber nicht nur sie haben auf dem Wohnungsmarkt Hürden und Barrieren zu bewältigen.

>>> wie Anna Clara Brandstätter und Daniel Stornig berichten.

Mia ist 25 Jahre alt, auf Wohnungssuche und „very online“, wie sie sagt. Ihre Angelegenheiten erledigt sie am liebsten digital. Nicht, weil das modern ist, sondern weil es im Web weniger Barrieren gibt: Die Wienerin sitzt seit 22 Jahren im Rollstuhl. Unselbstständig macht sie das freilich nicht, noch weniger, seit sie vor fünf Jahren in einen Elektrorollstuhl gewechselt ist. Während Menschen in mechanischen Rollstühlen oft um Hilfe bitten müssen, meistert sie Zugangsrampen zu Lokalen und in öffentliche Verkehrsmittel allein.

Allerdings: Alle Probleme löst das nicht – weder draußen noch in den eigenen vier Wänden. „Mechanische Rollis kann man auf dem Punkt drehen, einen E-Rolli nicht“, sagt Mia. Da dieser einen Wendekreis von mindestens einem halben Meter hat und sie in einem 40 Quadratmeter großen Studentenheim-Appartement wohnt, braucht Mia sehr viel Geschick beim Manövrieren. Verwinkelte Räume sind ihr Feind, das ständige Vor und Zurück zehrt an den Nerven. Die oberen Küchenkästen sind viel zu hoch, der Müllraum ist nicht mit Lift zugänglich, die Tür zur Waschküche schließt automatisch ab. Wenn sie die Wohnung verlässt, kommt nur der Hinterausgang mit Rampe infrage.

Aber mit voller Einkaufstasche auf dem Schoß wird es mühsam, denn einen automatischen Türöffner gibt es leider nicht.

Wie könnte ein barrierefreier Eingang aussehen?

Wie könnte eine barrierefreie Küche aussehen?

Wie könnte ein barrierefreies Badezimmer aussehen?

Zu guter Letzt: Wie könnte ein barrierefreies Schlafzimmer aussehen?

„Dann wäre da vor allem eins, das Badezimmer. Da brauche ich Hilfe. Die Dusche ist als barrierefrei gekennzeichnet, aber rollstuhlgerecht: not so much“, sagt Mia. Barrierefreiheit inkludiert die Befahrbarkeit mit Rollstühlen, hierzu müsste die Dusche jedoch ebenerdig sein. Völlig selbstbestimmt wäre sie gern, trotzdem nutzt sie für Duschhygiene und Einkäufe das Betreuungsangebot des Fonds Soziales Wien (FSW). Um ihr Budget für die persönliche Assistenz musste sie schon einige Male kämpfen: „Ich bin halt nicht behindert genug.“ Die Höhe der Pflegegeldergänzungsleistung richtet sich nach dem individuellen Assistenzbedarf. Ein Amtsarzt begutachtet diese Bedürftigkeit – schafft die Antragstellerin es selbstständig auf die Toilette? Kann sie sich selbst verpflegen? „Es ist eigentlich nur eine Momentaufnahme“, sagt Mia.

Aber mit der Küche hat sie Glück: Waschbecken und Herd sind unterfahrbar. In der Toilette sind Griffe zum Auf- und Niedersetzen vorhanden. „Das ist schon mehr als der Standard, glaub mir“, andere hätten es nicht so leicht. „Man muss Kompromisse machen“, sagt Mia und setzt ein müdes Lächeln auf. Als sie noch in der Unterkunft eines staatlich geförderten Unternehmens wohnte, hatte man ihr verwehrt, einen Griff an der Klotür anzubringen.

„Türen“, seufzt Peer-Beraterin Cornelia Scheuer. „Eingangstüren sind oft so schwer, dass die Leute sie nicht selbst öffnen können, egal ob Neu- oder Altbau. Oder zu schmale Klotüren. Da sehe ich sehr wohl eine Diskriminierung.“ Peer Counseling bezeichnet die Beratung von Betroffenen für Betroffene. Scheuer sitzt selbst im Rollstuhl und berät seit 2006 Menschen mit Behinderungen im Rahmen des Vereins Bizeps – Zentrum für selbstbestimmtes Leben, der auch sozialpolitisch als Interessenvertretung aktiv wird.

Bei der Konsultation begegnen sich Berater:innen und Klient:innen auf der gleichen Erfahrungsebene. „Was bei uns wegfällt, ist dieser Gedanke: ‚Ich als Institution weiß, was für Leute mit Behinderungen gut ist‘“, sagt Scheuer. „Wir fragen in den Beratungen: ‚Was brauchen Sie, um Ihr Leben selbstbestimmt zu führen?‘ Da höre ich dann oft: ‚Wow, das hat mich bisher noch niemand gefragt.‘“

Aber dass Gebäude-, Wohn- und Einrichtungspläne partizipativ entworfen werden, „das muss man ganz einfach verneinen“, sagt Harald Motsch, Leiter der Abteilung Wohnen mit Behinderung des Fonds Soziales Wien. „Es mag Komponenten geben, bei denen man mitreden kann, aber sonst wird Wohnraum in Wien meines Wissens nicht partizipativ geplant, dabei könnte man sich so etliche Irrwege ersparen“, meint der Experte, der selbst keine körperliche Beeinträchtigung hat.

Dem jüngsten österreichischen Bericht über die Lage von Menschen mit Behinderungen aus dem Jahr 2017 zufolge geben 18,4 Prozent an, eine dauerhafte Behinderung zu haben. Barrierefreiheit verspricht Menschen mit Behinderungen, insbesondere Hör-, Seh- und Mobilitätseinschränkungen, Teilhabe und Nutzung eines Raums ohne Erschwernis oder fremde Hilfe. Mia gehört der umfangreichsten Demografie an, jener der Personen mit Mobilitätseinschränkungen. „Im weitesten Sinne können auch Lieferanten mit schweren Lasten, Eltern mit Kinderwagen oder Reisende mit Koffern temporär dieser Gruppe zugeschrieben werden“, sagt Barbara Sima-Ruml, Lehrbeauftragte an der TU Graz für barrierefreies Bauen und Sachverständige in diesem Bereich. Sie nutzt seit 2001 selbst einen Rollstuhl.

Einen barrierefreien Raum zu planen – das heißt für alle, mit und ohne Behinderung – ist aber gar nicht so leicht, „da sich manche Behinderungen in ihrer Ausformung konträr zueinander verhalten“, sagt Sima-Ruml. Während taktile Bodeninformationen für blinde Menschen zentral zur Orientierung beitragen, können sie für Menschen im Rollstuhl eine störend unebene Oberfläche darstellen. Ein berührungsloser Wasserhahn kann für jene mit einer Versteifung des Handgelenks sinnvoll sein, für sehbehinderte Personen ist der Sensor nur schwer ertastbar.

„In der barrierefreien Gestaltung wird das Zwei-Sinne-Prinzip so oft als nur möglich angewandt“, sagt die Sachverständige. Demnach müssen mindestens zwei der drei Sinne – Hören, Sehen und Tasten – angesprochen werden. Ein Beispiel aus Barbara Sima-Rumls Podcast „Barrierefreies Bauen für alle“: Jemand steigt in einen Aufzug, wählt einen Druckknopf samt erhabener Schrift, dieser leuchtet auf. Eine akustische Aufzugsinformation wird abgegeben: „Ebene drei.“ Die Person steigt an der gewünschten Stelle aus.

Die Republik Österreich bekennt sich gemäß Art. 7 Abs. 1 der Bundesverfassung dazu, jeden Staatsbürger und jede Staatsbürgerin gleich zu behandeln. Das inkludiert auch Menschen mit Behinderungen. Diese dürfen nicht diskriminiert werden, weder unmittelbar, wenn man etwa eines Lokals verwiesen wird, noch mittelbar, beispielsweise durch eine hohe Türschwelle. Die Detailregelungen hierzu finden sich im Behinderten-Gleichstellungsgesetz, welches, einer EU-Richtlinie folgend, am 1. Jänner 2006 in Kraft trat. Seither dürfen Personen mit Behinderungen von Bauplanern nicht mehr diskriminiert werden, sonst ist ein Schadenersatz zu entrichten.

Aber: „Sobald die Architektin von der Baubehörde ihre Unterschrift auf den Bauplan setzt, reicht das aus meiner Erfahrung schon. Es wird bestätigt, dass das jeweilige Objekt barrierefrei geplant wurde“, sagt Scheuer, „und obwohl sich beim Bau vieles ändern kann, wird bei einer Begehung nicht mehr auf Barrierefreiheit kontrolliert.“

Außerdem gebe es viele Ausnahmen, sagt Gerald Schweidler vom Beratungsunternehmen Comfort4all. Neben landesspezifischen Bau-Vorschriften mache es auch der Konsensschutz komplizierter: „Ein Objekt, das 1960 die Baubewilligung erteilt bekommen hat, ist den damaligen Gesetzen entsprechend auszuführen. Ein Eingriff darin geht gegen die Privatautonomie des Eigentümers. Das sehen wir aktuell auch im Gesundheitsbereich – in die Privatautonomie einzugreifen ist ganz, ganz heikel und muss stark begründet werden.“

Durchbrechen ließe sich das mit dem in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 3 GRCh). „Das wäre eine Variante, der rechtliche Anreiz“, sagt Schweidler, „man kann aber auch mit Förderungen motivieren.“ Mit Kreativität könnten so „grandiose Projekte entstehen, die nicht nach Behinderung aussehen, was ja oft kritisiert wird. In der Bautechnik gibt es für sehr viele Probleme sehr gute Lösungen.“

„Barrierefreiheit ist für jeden angenehm“, sagt Scheuer, „für Menschen mit Behinderungen ist sie unerlässlich.“ Um das zu erreichen, „braucht es einen Kurswechsel in den Köpfen“ und zwar beginnend beim Wohnraum. Der Stadt Wien zufolge „lässt sich die Anzahl barrierefreier Wohnungen in Wien nur schwer abschätzen. Von den etwa eine Million Wohneinheiten befindet sich der Großteil in Gebäuden, die älter als 50 Jahre alt sind.“

Und sie ergänzt: „Wien ist eine uralte Stadt, dass da der Altbestand nur selten barrierefrei ist, ist schon klar.“ Erfolgsversprechender sei es daher, bei den Neubauten anzusetzen – wenn auch nicht immer leicht: „Es gibt viel zu wenig barrierefreie Wohnungen in Wien. Es ist schwierig für Menschen mit Behinderungen, eine geeignete Wohnung zu finden.“

Mia kann davon ein Lied singen: „Ist ein Wohnraum als ‚barrierefrei‘ inseriert, kostet er mehr als 1000 Euro pro Monat. Wenn doch etwas infrage kommt, gibt es Stufen zum Lift oder ich kann in ein Zimmer nur hinein- und nicht mehr herausfahren.“ Aus vergangener Recherche weiß Mia: „Obdachlosen- und Chancenhäuser sind übrigens selten rollstuhlgerecht.“ Doch die mühsame Suche hat der 25-Jährigen auch Positives gebracht – eine Art Superkraft. So zumindest bezeichnet sie ihre Fähigkeit, Flächen schon durch Fotos sehr gut abschätzen zu können. „Muss ja sein“, sagt sie, „nicht immer ist ein aufschlussreicher Wohnungsplan in der Anzeige.“ Besonders wertvoll sind für Mia virtuelle Rundgänge. So erhält sie eine ziemlich reale Vorstellung vom Wohnobjekt. „Sollte mir das nicht reichen, versuche ich einen Termin vor Ort auszumachen. Dann schaue ich, ob ich in den Lift passe oder Ähnliches.“

Schwere Türen, Stufen in das Parterre, Schwellen vor dem Aufzug, hohe Kloschalen – sie werden von den Genossenschaften oder Bauträgern oft ignoriert, „weil der Umbau natürlich Mehrkosten bringt – wobei man sagen muss, wenn man die Barrierefreiheit in einem Haus beim Bau gleich mitplant, dann sind es um die fünf Prozent an zusätzlichen Kosten“, sagt Scheuer, „wenn man sie nachträglich einbauen muss, ist das eine Unmenge mehr.“

Auch Personen mit altersbedingten Mobilitäts- und Sinneseinschränkungen profitieren von vorausschauender Bauplanung. 2040 liegen Prognosen der Statistik Austria zufolge 26 Prozent der österreichischen Bevölkerung über der Altersgrenze von 65 Jahren. Sind wir gut auf die demografische Alterung der österreichischen Bevölkerung vorbereitet? „Nein“, sagt Cornelia Scheuer, „ganz eindeutig nein, weil ältere Menschen durch mangelnde Barrierefreiheit derzeit genauso ausgegrenzt werden wie Menschen mit Behinderungen.“ Wenn Heimhilfe notwendig wird, bedeutet das Folgekosten.

Comfort4all-Projektmanager Schweidler sieht einen kleinen Lichtblick: „Viele glauben, dass eben mit diesem demografischen Argument doch ein großer, präventiver Umbruch in den nächsten Jahren kommen wird.“

„Im Neubau reagiert die Stadt Wien mit anpassbarem Wohnbau auf diesen Bedarf“, heißt es aus dem Büro der Wiener Stadträtin Kathrin Gaál. Der Richtlinie 4 des Österreichischen Instituts für Bautechnik (OIB) zufolge ist dies Wohnraum, in welchem Anforderungen an die Barrierefreiheit bei Bedarf durch bauliche Änderungen leicht erfüllt werden können. „Darüber hinaus bietet die Stadt Wien Förderungen für Maßnahmen zur Barrierefreiheit (z. B. für Badumbauten, Anm.). Es werden auch Teile oder ganze Wohnhäuser entsprechend den Bedürfnissen der Generation 55 plus geplant und gebaut.“

„Es geht nicht von heute auf morgen“, sagt Harald Motsch vom FSW, „aber bei uns sind jedenfalls die richtigen Schritte gesetzt.“

Im Dezember 2018 findet in Wien eine Konferenz unter dem Titel „Housing for all“ statt. Sämtliche Regierungsmitglieder von europäischen Metropolen nehmen teil sowie internationale Expertinnen und Experten. „Die Geschwindigkeit und der Umfang, in dem Finanzakteure und Fonds Wohnraum und Immobilienmarkt übernehmen und damit dazu beitragen, dass Wohnen nicht mehr leistbar ist, sind schlichtweg atemberaubend“, sagt Leilani Farha, damals UN-Sonderberichterstatterin für das Menschenrecht auf angemessenes Wohnen, in ihrer Keynote. Sie zeichnet ein düsteres Bild des globalen Wohnungsmarktes, der von Investoren übernommen und der Bevölkerung entzogen wird. Ihr Appell lautet: „Wohnen ist ein Menschenrecht, dem sich Regierungen weltweit verpflichtet haben. Wohnstrategien müssen im Gesetz verankert und Wohnraum als soziales Gut anerkannt werden – so wie es in Wien gemacht wird.“

Nicht nur Farha nennt Wien ein Vorbild für andere Städte. Nahezu alle Redner verweisen auf die Bundeshauptstadt, wo Wohnen im Vergleich zu anderen Metropolen für die breite Bevölkerung leistbar sei. Drei Jahre später, im Oktober 2021, bestätigt eine Studie der Arbeiterkammer die Redner von damals. Während in London 62 Prozent und in Berlin die Hälfte der Bevölkerung durch die Wohnkosten überlastet sind, sind es in Wien lediglich 18 Prozent. Überlastet meint demnach, dass mehr als 40 Prozent des Einkommens für das Wohnen ausgegeben wird. In Wien ist Wohnen im Verhältnis zu anderen Metropolen somit leistbarer, auch wenn der Wohnungsmarkt für Investoren, die Farha zufolge die Preise in die Höhe treiben, attraktiv ist.

Wie beliebt Wien ist, zeigt eine Umfrage unter 400 europäischen Investoren, die das deutsche Meinungsforschungsinstitut Kantar im Oktober 2020 durchgeführt hat. Sie nennt Wien als drittbeliebtestes Ziel für Immobilien-Investoren in Europa. Nur Berlin und London sind attraktiver. Mit belastbaren Zahlen unterstreicht dies das internationale Rechercheprojekt „Cities for Rent“, das 2021 aufgedeckt hat, wer wie viel in die europäischen Großstädte investiert. Allein im Jahr 2020 wurden demnach 63 Milliarden Euro in größere Wohnimmobilien in europäischen Metropolen gesteckt. In Wien wurden zwischen 2007 und 2020 über elf Milliarden Euro für Investorenprojekte ausgegeben. Damit belegt Wien den fünften Platz hinter Paris, Amsterdam, London und Berlin.

In vielen europäischen Großstädten stammen die Investmentfirmen aus anderen Ländern, allen voran aus den USA. In Wien sind viele bekannte heimische Banken und Investmentfirmen tätig. Am meisten investiert hat jedoch der deutsche Immobilienkonzern Vonovia. Mit 1,2 Milliarden führt dieser die Liste vor der UniCredit und der Erste Bank an.

Der größte Investor in Wien, Vonovia, agiert in Deutschland, Schweden und Österreich. Es ist zugleich der größte private Wohnungskonzern Deutschlands. Der zweitgrößte hört auf den Namen Deutsche Wohnen. Vonovia hat sich mittlerweile 60 Prozent der Aktien von Deutsche Wohnen gesichert, womit einer Übernahme nichts mehr im Weg steht. Damit wird Vonovia zum größten Wohnimmobilienkonzern Europas. Das bedeutet: mehr als 500.000 Wohnungen im Wert von 80 Milliarden Euro. In Deutschland sind Deutsche Wohnen und Vonovia umstritten. Zum einen wegen ihrer Marktmacht, zum anderen, weil Mieter mit ihren Konditionen unzufrieden sind. In Berlin hat das im September 2021 zu jeder Menge Aufruhr geführt. Mehr als die Hälfte der Berliner stimmte in einem Volksentscheid für die Initiative „Deutsche Wohnen und Co enteignen“.

In Österreich kaufte Vonovia 2017 für 2,7 Milliarden Euro Conwert mit 24.500 Wohnungen, davon 2400 in Wien. Ein Jahr später die Buwog Group für 5,2 Milliarden Euro mit rund 50.000 Wohnungen. „Im Neubau sind wir der größte und aktivste Bauträger in Wien. Wir bauen frei finanzierte Mietwohnungen, aber auch geförderte“, sagte Vonovia-Vorstand Daniel Riedl im Oktober 2021 im Interview mit der „Presse“. Die Nationalbank warnte im Jahr 2021 des Öfteren vor einer Überhitzung des Immobilienmarktes in Österreich. Riedl teilt diese Einschätzung nicht: „Ich war lang genug im Osteuropa-Geschäft tätig, um Überhitzung zu erkennen. Im Sinne davon, dass Leute Wohnungen kaufen, diese sechs Monate später ungenutzt um 20 Prozent teurer weiterverkaufen, zu 100 Prozent von Banken finanziert, davon passiert hier nichts. Wohnungen werden nicht spekulativ gekauft, um sie leer stehen zu lassen. So schnell steigen die Preise nicht.“

Thomas Ritt, Ökonom und Leiter der Abteilung Kommunalpolitik und Wohnen der Arbeiterkammer Wien, sieht das anders: „Man muss nicht einmal vermieten, um jedes Jahr Gewinn zu machen“, schreibt Ritt in einem Blogbeitrag für das Magazin „Arbeit & Wirtschaft“ im November 2021. Theoretisch führe in einem freien Markt mehr Angebot als Nachfrage zu einer Preissenkung. „Seit 2016 sind in Wien jedes Jahr gleich viele oder deutlich mehr Wohnungen gebaut worden, als vom Bevölkerungswachstum her notwendig gewesen wären. In dieser Zeit sind die Preise von Eigentumswohnungen um 25 Prozent gestiegen und die Mietzinse bei Neuvermietung um fast 15 Prozent. Ein funktionierender Wohnungsmarkt hätte bei so einem deutlichen Überangebot mit deutlich sinkenden Preisen reagieren müssen“, schreibt Ritt, der die Investorenprojekte als „betonierte Sparbücher“ bezeichnet.

Eine Analyse der österreichischen Nationalbank (OeNB) bestätigt ein Überangebot von Wohnraum nicht nur für Wien, sondern für ganz Österreich. „Im Jahr 2021 wird nach OeNB-Schätzungen österreichweit mit einem kumulierten Überangebot von knapp 40.000 Wohneinheiten gerechnet“, heißt es in der im November veröffentlichten Arbeit. Auch die OeNB weist darauf hin, dass das Überangebot „preisdämpfend“ wirken sollte. „Die dennoch zu beobachtenden starken Preisanstiege dürften von der hohen Nachfrage nach Wohnungen zu Nichtwohnzwecken (Investitionsmotiv) getrieben worden sein, die in dieser Schätzung nicht enthalten sind. Es liegen keine offiziellen Daten zur Immobiliennachfrage nach Anlagezwecken vor. Nach Auskünften von Maklern ist diese Nachfrage in den letzten Jahren jedoch stark gestiegen“, analysiert die Nationalbank.

Zahlen der Statistik Austria vom September 2021 zeigen, dass die Wohnimmobilienpreise die vergangenen zehn Jahre stets gestiegen sind, und zwar unabhängig davon, ob Stadt oder Land. „Die Preise auf dem Wohnimmobilienmarkt haben in der ersten Jahreshälfte 2021 weiter angezogen. Mit einem Plus von 10,7 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2020 lag der Preisanstieg bei Häusern und Wohnungen deutlich über dem Durchschnitt der vergangenen drei Jahre von 6,1 Prozent. Günstige Kredite und die weiterhin kräftige Nachfrage ließen die Preise ansteigen, und das unabhängig davon, ob Haus oder Wohnung, Stadt oder Land“, meint Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas bei der Publikation der Zahlen. Eine Immobilie als Geldanlage hat somit in den letzten zehn Jahren in ganz Österreich jährlich an Wert gewonnen, auch ohne sie zu vermieten.

Nicht nur die Kaufpreise, auch die Mietpreise sollten mit einem Überangebot sinken, schreibt Ritt in seinem Blogbeitrag. Dennoch ist bei den Mietpreisen in Österreich ebenfalls keine Entlastung zu beobachten. Die niedrigen Mieten im geförderten und sozialen Wohnbau drücken die Mieten im privaten Mietsektor zwar nach unten, dennoch sind die Mieten in allen Segmenten in den letzten Jahren gestiegen. Besonders Personen, die keinen Zugang zu geförderten Wohnungen haben, sind von den Entwicklungen betroffen. In Österreich kostet die Miete pro Quadratmeter im privaten Sektor durchschnittlich 2,45 Euro mehr als in geförderten Wohnungen. Bei einer durchschnittlichen Wohnung, die der Statistik Austria zufolge 100 Quadratmeter groß ist, ergibt das rund 250 Euro im Monat und fast 3000 Euro Mehrkosten im Jahr.

Die allgemeine Preisentwicklung und die Einkommen steigen zwar mit den Mieten, Letztere ziehen aber davon: Das durchschnittliche Einkommen eines Haushalts hat sich nach einer Erhebung der Arbeiterkammer von 2017 zwischen 2008 und 2016 um 22 Prozent erhöht. In der gleichen Zeitspanne sind die Bruttomieten um 28 Prozent teurer geworden. Die Situation ist dabei in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich: Die Mieten sind im Westen tendenziell höher und im Osten, mit Ausnahme von Wien, günstiger.

Wie groß der Einfluss der Investoren auf die Miet- und Kaufpreise tatsächlich ist, kann aufgrund fehlender Daten nicht berechnet werden. Der Immobilienmarkt ist für Investoren jedenfalls attraktiv und die Preise steigen in ganz Österreich, trotz eines Überangebots. Das zeigt, dass der Markt nicht funktioniert, wie er funktionieren sollte, und zwingt die Politik zu einer Reaktion.

Die türkis-grüne Regierung möchte mit einem sogenannten Bestellerprinzip die Maklerkosten auf die Besteller, also meist die Vermietenden, übertragen und so die Mieter entlasten. Obwohl es im Regierungsprogramm steht und alle Parteien dafür sind, wurde bisher kein Entwurf vorgelegt. Die Stadt Wien setzt zur Regulierung der Mietpreise auf ihren geförderten und sozialen Wohnbau, in welchem derzeit 62 Prozent der in Wien lebenden Menschen wohnen. Um diesen trotz Investitionen aufrechtzuerhalten, wurde 2018 eine neue Widmungskategorie, die „geförderte Baunutzung“, eingeführt. Bei Projekten in dieser Kategorie müssen zwei Drittel der gebauten Wohnungen gefördert vermietet werden, wobei eine Ausnahmeregelung auch einen kleineren Anteil ermöglicht. Auf Länderebene hingegen rückt der Leerstand in den Fokus. In Salzburg wurde im Dezember 2021 ein fertiger Entwurf für eine Leerstandsabgabe eingereicht, dessen Umsetzung vorerst an den Neos gescheitert ist. 800 Euro für 100 Quadratmeter sollten künftig für leerstehende Wohnräume jährlich bezahlt werden. Tirol und Wien wollen nachziehen. Wie und wann, wird sich zeigen.

Leilani Farha betrachtet das Problem global. In ihrem Film „Push – Für das Grundrecht auf Wohnen“ fordert sie eine Grundsatzdiskussion über die Art, wie wir als Gesellschaft mit Wohnraum umgehen. Für sie liegt das Problem darin, dass Wohnungen zum reinen Finanzprodukt werden. Im Film sagt Farha: „Wenn Wohnen zur Handelsware wird, ist das etwas anderes, als wenn Gold Handelsware ist. Gold ist kein Menschenrecht, Wohnen schon.“

Der Lagezuschlag ist eine hart umkämpfte Frage bei Mieten im Wiener Altbau. Er definiert einen Zuschlag pro Quadratmeter, der bei überdurchschnittlicher Lage einer Immobilie verlangt werden darf. 2006 führte das Deregulierungsgesetz zum Einfrieren der Richtwerte. Somit ist der Lagezuschlag eine der wenigen flexiblen Komponenten beim Festsetzen der Miethöhe.

Wolfgang Kirnbauer, Obmann des Mieterschutzverbandes Wien, sieht im Lagezuschlag eine Art Umgehungsstraße des ganzen Richtwertsystems. „Früher war das Verhältnis von Richtwert und Lagezuschlag noch angemessen. Mittlerweile stellt der Lagezuschlag das ganze System auf den Kopf, weil er die Miete häufig verdoppelt“, sagt er im Gespräch mit der „Presse“.

In Österreich herrschte ab 1982 eine Art Kategoriensystem mit Mietzinsobergrenzen bei Altbauwohnungen. Dabei wurden Wohnungen nach wenigen Merkmalen wie Bad, Küche, WC und Gasetagenheizung eingeordnet. Dieses System kämpfte mit Ungenauigkeiten, da sehr unterschiedlich ausgestattete Wohnungen oft in dieselbe Kategorie fielen. 1994 wurde das Richtwertsystem von der Bundesregierung eingeführt. Seitdem gilt für Altbaumieten ein Richtwert pro Quadratmeter, der von verschiedenen Zu- oder Abschlägen beeinflusst werden kann.

Konkret: War vor 1994 für den Mietpreis nur die Ausstattung der Wohnung relevant, wird seither mit dem Lagezuschlag auch miteinbezogen, was um die Wohnung herum geschieht. Bis 2018 wurde der Lagezuschlag nur durch die Grundkosten ermittelt. Kirnbauer kritisiert dieses Vorgehen: „Die Lagezuschlagsberechnung von 1994 ist nicht mehr sachgerecht, weil man damals nicht wissen konnte, dass die Grundkosten dermaßen in die Höhe schießen.“ Vom Lagezuschlag ausgeschlossen waren bis 2018 nur Gründerzeitviertel, also Gegenden mit einem überwiegendem Gebäudebestand von 1870 bis 1917, da dort hauptsächlich Substandard-Häuser zu finden sind.

2018 änderte ein Entscheid des Obersten Gerichtshofes (OGH) diese Situation, wie Christian Bartok, Bereichsleiter der Mieterhilfe der Stadt Wien, erläutert: „Der OGH hat festgestellt, dass nicht nur die Grundkosten wichtig sind, sondern insgesamt sechs Merkmale.“ Seitdem zählen zusätzlich die Kategorien Bildungseinrichtungen, öffentlicher Verkehr, ärztliche Versorgung, Geschäftslokale und Grünraum in der Umgebung. Deshalb wurde von der MA25 eine neue Lagezuschlagskarte erstellt. Zuvor gab es in 42 Prozent aller Zählgebiete keine Zuschläge, mittlerweile sind es 67 Prozent.

Alle Probleme beseitigt wurden damit freilich nicht: Der Präsident des österreichischen Haus- und Grundbesitzerbundes (ÖHGB), Martin Prunbauer, ortet Mängel in der neuen Lagezuschlagskarte und bezeichnet sie als unlogisch und schwer nachvollziehbar. „Das ist ohnehin nur eine Orientierungshilfe. Die Karte ist nicht rechtlich bindend, da muss von Fall zu Fall überprüft werden“, ergänzt er.

Und Verfahrensfälle gibt es zur Genüge, wie Bartok von der Mieterhilfe aufzeigt: „Die Schlichtungsstelle behandelt etwa 4000 Verfahren jährlich. Diese Zahl ist so hoch, weil die Vermieter sich in der Regel nicht an den Richtwert halten.“ Eine Untersuchung des Wohnungsmarktes von 2020 durch die Mieterhilfe, in der 40.000 Altbau-Inserate ausgewertet wurden, bestätigt Bartoks Behauptung. Der Wiener Richtwert von 5,81 Euro wird konsequent ignoriert: Die durchschnittliche Miete im Altbau liegt stattdessen bei 10,20 Euro. Kirnbauer spricht von einer Veränderung in den Verfahren: „Die Immobilienwirtschaft hat sich die neue Kartografierung nicht gefallen lassen. Viele Verfahren, die früher vor der Schlichtungsstelle geendet hätten, ziehen jetzt vor Gericht, weil die Hauseigentümer mit der Einstufung nicht konform gehen.“

Bei diesen Verfahren ist die Unberechenbarkeit in den vergangenen fünf Jahren zu einem großen Problem geworden. „Ich bin seit 30 Jahren im Geschäft, und für mich ist es mittlerweile kaum prognostizierbar, wie es in höherer Instanz ausgeht“, sagt Kirnbauer. Um festzustellen, wer recht hat, wird vom Gericht meist ein Sachverständiger bestellt, der ein Lagegutachten anfertigt. Kirnbauer ortet darin den ersten Systemfehler, da diese Sachverständigen fast immer aus der Immobilienwirtschaft kämen und deshalb nicht die notwendige Neutralität aufweisen würden: „Die sind oft auch Hauseigentümer und würden sich damit selbst ins Knie schießen. Diese Gutachten lesen sich wie Exposés von Wohnungsinseraten.“

Häufig kämen Vermieter schon mit privat in Auftrag gegebenen Gutachten bei Gericht an, führt Kirnbauer aus. Auch Bartok zweifelt an der Neutralität der Gutachten: „Wer zahlt, schafft an.“ Prunbauer vom ÖHGB bestätigt ebenfalls, dass Hauseigentümer zur Voraussicht vermehrt solche Gutachten in Auftrag geben würden.

Ein weiteres Problem stellen die Kosten für Gutachten dar, die zwischen 2500 und 7000 Euro rangieren. Wenn Mieter den Rechtsstreit verlieren, müssen sie zusätzlich mit Verfahrenskosten um die 8000 Euro rechnen. „Es gab zum Beispiel einen Fall, bei dem die Schlichtungsstelle eine Überschreitung von 20.000 Euro festgestellt hat. Als das vor Gericht ging, hat sich der Mieter zurückgezogen, weil er Angst vor den Verfahrenskosten hatte. Wir sind bei null ausgestiegen“, erzählt Kirnbauer. Solche Fälle seien keine Seltenheit.

Der 22-jährigen Luisa S.* erging es 2019 ähnlich. Sie versuchte, mithilfe des Mieterschutzverbands Miete zurückzufordern. Die Schlichtungsstelle stellte fest, dass sie um 200 Euro zu viel bezahlt hatte – pro Monat über vier Jahre hinweg. Der Streitwert betrug somit 10.000 Euro.

Vor Gericht wartete der Vermieter mit einem privat eingeholten Lagegutachten auf. „Das war Märchenstunde par excellence“, sagt Kirnbauer, der den Fall begleitet hat. Die Wohnung lag direkt am lärmintensiven Gürtel, doch im Lagegutachten sei dieser ausschraffiert worden. „Der Gutachter behauptete, die sonstige Lage wäre so gut, dass man die dreispurige Straße vor meinem Schlafzimmer nicht im Gutachten anführen könne“, erzählt Luisa S. Da die Studentin ebenfalls vor den Verfahrenskosten zurückschreckte, strebte sie einen Vergleich mit dem Vermieter an. Ihre Miete wurde letzten Endes um 20 Euro gesenkt. Der betroffene Gutachter wurde angefragt, hat aber keine Stellungnahme hierzu vorgebracht.

Bartok kritisiert das derzeitige System: „Wenn man zu seinem Recht kommen möchte, darf das nicht davon abhängen, ob einem ein Damoklesschwert von ein paar Tausend Euro über dem Kopf hängt.“

In den vergangenen Monaten zeigt sich eine Veränderung bei den Verfahren, wie etwa das OGH-Urteil bei einer Wohnung in Wien Josefstadt vom September 2021 zeigt. Ein Gutachten attestierte dort überdurchschnittliche Lage, und das Gericht übernahm diese Entscheidung. In weiterer Instanz hob der Oberste Gerichtshof diesen Beschluss auf, wegen des Verkehrslärms am Gürtel und eines Kriminalitätshotspots an der nahegelegenen U-Bahn-Station.

„Da hat der OGH genau das klargestellt, was sowieso aus dem Gesetz hervorgeht, aber bis dato in der Praxis nicht so war: Ob eine Lage überdurchschnittlich ist oder nicht, entscheidet kein Gutachter, sondern das Gericht. Denn es handelt sich dabei um eine Rechtsfrage“, sagt Kirnbauer. Bartok weist darauf hin, dass Richter gar nicht verpflichtet sind, ein Gutachten einholen zu lassen. Sie könnten sich bei der Beurteilung genauso auf das Gutachten der Schlichtungsstelle beziehen. „Selbst wenn der Vermieter mit einem Gutachten daherkommt, muss das Gericht diese Unterlagen erneut bewerten“, meint er.

ÖHGB-Experte Prunbauer zufolge würde es eine starke Liberalisierung des Mietrechtes brauchen. „Man muss sich vor dem Markt in Österreich nicht fürchten, denn es sind 60 Prozent der Mietwohnungen in öffentlicher Hand. Wer Schwierigkeiten hat, im privaten Sektor an Wohnversorgung zu kommen, kann in diesen 60 Prozent Platz finden“, rechnet er vor. Kirnbauer ist da anderer Meinung: „Der Markt regelt das nicht, der führt zu sehr seltsamen Auswüchsen. Leistbares Wohnen gibt es in Wien kaum, weil die gesetzlichen Obergrenzen nicht mehr greifen.“

Aber auch für Eigentümer sieht Kirnbauer Nachteile: „Die hohen Mieten, die von den Lagezuschlägen gerechtfertigt werden, treiben eine Blasenbildung bei den Eigentumspreisen an.“ Vor allem kritisiert er aber veraltete Gesetzeslagen, denn was als Altbau gilt und was nicht, sei seit 1981 nicht mehr angepasst worden. Für Prunbauer fehlt derzeit für Eigentümer auch eine gewisse Planungssicherheit, wie sie zuvor beim Grundwert noch gegeben war.

Christian Bartok fordert ein neues Mietrecht: „Das 27 Jahre alte System des Richtwertmietzins und insbesondere der Lagezuschlagsanwendung ist veraltet und führt zu großen Verunsicherungen von Mieter und Vermieter. Es braucht endlich ein modernes, kompetentes Mietrecht für alle Wohnformen.“ Bis dahin wird der Lagezuschlag wohl weiterhin hart umkämpft bleiben.

*Name von der Redaktion geändert

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